Das Teufelslabyrinth
abgestellt und die Scheinwerfer ausgeschaltet hatte, sagte er leise: »Ich glaube, ich komme noch mit rein, wenigstens für ein Weilchen.«
Teri putzte sich die Nase, atmete ein paarmal tief durch und nickte.
»Ich bin so ratlos. Ich weiß nicht, was ich tun soll«, gestand sie ein paar Minuten später, als sie in der Küche stand und eine Kanne Kaffee aufbrühte. »Eigentlich müssten wir denjenigen, der Ryan das angetan hat, anzeigen. Aber ich weiß, was er vorher gemeint hat … dass eine Anzeige die Sache für ihn nur noch schlimmer machen würde.«
»Ich habe einen Vorschlag«, sagte Tom. Er holte die Milch aus dem Kühlschrank, stellte sie auf den Küchentisch und setzte sich.
»Ich weiß«, seufzte Teri. »St. Isaac’s. Aber selbst wenn Ryan einverstanden ist und die Schule ihn aufnimmt, weiß ich nicht, wie ich das Geld dafür aufbringen soll. Bills Lebensversicherung war nicht sehr hoch.«
»Die St. Isaac’s Academy bietet in solchen Fällen bestimmt finanzielle Unterstützung an.« Er zögerte kurz und setzte dann hinzu: »Und ich bin ja auch nicht total abgebrannt.«
Teris Augen glitzerten vor Tränen, als sie den Kopf schüttelte. »Das ist unglaublich lieb von dir, aber du weißt, dass ich dein Geld nicht annehmen kann«, erklärte sie und hielt abwehrend die Hand hoch, als Tom zu einem Widerspruch ansetzte. »Und selbst wenn ich es könnte, glaube ich nicht, dass ich es übers Herz brächte, Ryan in ein Internat zu schicken.«
»Dabei sitzen diese Mistkerle, die Ryan verprügelt haben, Montag früh wieder grinsend in der Dickinson High«, gab Tom zu bedenken.
Teri war so erschöpft, dass sie sich fühlte, als fließe flüssiges Blei durch ihre Adern. »O Gott«, stöhnte sie und sah sich nach sauberen Kaffeetassen um, holte dann aber zwei vom Frühstück aus der Spülmaschine.
»Hör zu«, sagte Tom, der sich nicht so einfach von seinem Vorschlag abbringen lassen wollte. »Ich kenne jemand, der an der St. Isaac’s arbeitet. Lass mich ihn doch wenigstens mal anrufen und mich erkundigen, was es für Möglichkeiten gäbe. Bis jetzt wissen wir ja noch nicht einmal, ob wir ihn dort unterbringen können. Es wäre doch sicher interessant zu erfahren, welche Aufnahmekriterien die haben, meinst du nicht auch?«
»Also schön«, willigte Teri schließlich ein. Sie hatte keine Kraft mehr, weiter mit Tom zu debattieren. »Und wer weiß? Vielleicht ist das wirklich die beste Schule für ihn.« Sie schenkte ihnen Kaffee ein, stellte die Kanne auf den Tisch und setzte sich Tom gegenüber, der nach ihrer Hand griff und diese so zärtlich drückte, wie Teri vor kurzem die Hand ihres Sohnes gedrückt hatte.
»He«, sagte er. »Du bist nicht vollkommen auf dich allein gestellt, das weißt du doch. Und vertrau mir, es wird sich alles zum Besseren wenden.«
Teri nickte matt. Das hörte sich gut an, auch wenn sie es nicht wirklich glaubte.
8
Kip Adamson lehnte an einer Ziegelmauer. Die Sache war nur die, dass er nicht die leiseste Ahnung hatte, warum er hier war, noch wie lange, oder wo sich diese Mauer überhaupt befand. Er fühlte sich wie gelähmt, hatte Angst sich zu bewegen, ja selbst sich umzusehen, so als ob jede kleinste Bewegung diese Realität, in der er sich befand, genauso abrupt zerstören würde, wie sie entstanden war.
Aber war das hier überhaupt real ? Vielleicht träumte er nur - ja, das konnte nur ein Traum sein, denn nichts fühlte sich hier real an, weder seine Umgebung noch sein eigener Körper.
Dann berührten seine Finger die rauen Ziegel hinter ihm.
Die fühlten sich echt an.
Er betrachtete seine Hände.
Auch die sahen echt aus.
Er krümmte die Finger zu Fäusten und ließ wieder locker.
Das war alles real.
Er ließ sich auf den Gehsteig niedersinken, versuchte herauszufinden, was mit ihm passiert war. Wo war er? Wie war er hierhergekommen? Und warum war er überhaupt hier, wo immer »hier« sein mochte?
Er blickte die dunkle, menschenleere Straße entlang. Einen halben Block rechts von ihm schimmerte das Neonschild einer Bar, ansonsten sah er nur die Fassaden und Vorbauten von einer Reihe alter Sandsteinhäuser. Aber es waren keine schönen Häuser, nicht wie die in Beacon Hill oder Back Bay.
Diese hier sahen eher aus wie Bruchbuden.
Und es schien schon spät zu sein. Nach Mitternacht? Er wusste es nicht.
Er stand wieder auf und ging langsam den schmalen Gehsteig entlang, schaute sich nach irgendwelchen Anhaltspunkten um, irgendetwas, das ihm bekannt vorkam, fand aber
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