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Das Teufelslabyrinth

Das Teufelslabyrinth

Titel: Das Teufelslabyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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wieder einschlafen, oder erst, wenn die Schrecken dieses Traums endgültig verblasst waren.
    Außerdem war er gar nicht mehr müde, sondern hatte vielmehr Lust, mit jemandem zu reden. Aber nicht mit seiner Mutter, die nur wieder in Tränen ausbrechen würde, und ganz bestimmt nicht mit Tom Kelly. Und eine Schwester wollte er auch nicht rufen. Die würde ihm nur wieder irgendwelche Pillen verabreichen.
    Der einzige Mensch, mit dem er wirklich reden wollte, war sein Vater.
    Sein Vater würde wissen, was zu tun war, würde ihm sagen, wie er sich Frankie Alito und seinen Schlägern gegenüber verhalten sollte, wenn er am Montag wieder zur Schule ging. Aber sein Vater konnte ihm nicht helfen, sein Vater war tot und begraben, und Ryan musste allein zusehen, wie er zurechtkam.
    Eine Träne kullerte ihm aus dem Augenwinkel, die er schnell abwischte. Unvermittelt ertönte ein leises Klopfen an der Tür. Während Ryan noch an der Fernbedienung herumfummelte, bis er den Lichtschalter fand, ging die Tür auf, und ein dunkelhaariger Mann trat herein.
    Ein dunkelhaariger Mann, der offenbar weder ein Pfleger noch ein Stationshelfer war.
    Verunsichert musterte er ihn.
    »Ryan?«, fragte der Mann. »Ryan McIntyre?«
    Ryan nickte.
    Der Mann schloss leise die Tür hinter sich, und ohne das grelle Neonlicht im Flur konnte Ryan jetzt den Priesterkragen erkennen, den der Mann trug.
    Ein Priester.

    »Ich bin Pater Sebastian Sloane«, stellte sich der Mann vor und ließ sich auf dem Stuhl nieder, der Ryans Bett am nächsten stand.
    Ryan beäugte den Mann mit einem skeptischen Blick. Was machte ein Priester hier bei ihm? Hatte seine Mutter ihn geschickt? Oder war das nur der Krankenhauspfarrer? Ehe er ihn noch fragen konnte, fuhr der Mann fort: »Ich glaube, du kennst einen Freund von mir. Tom Kelly?«
    Augenblicklich verfinsterte sich Ryans Miene. »Warum hat er Sie hergeschickt?«, fragte er, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, seine Feindseligkeit zu verbergen. »Hofft er, dass ich demnächst abkratze, und hat sie herbeordert, damit Sie mir die Letzte Ölung verpassen?«
    Der Priester verzog angesichts der rüden Worte keine Miene; stattdessen kicherte er leise. »Du magst ihn nicht besonders, wie?«
    Ryan schüttelte den Kopf. »Warum sollte ich?«
    Pater Sebastian breitete geringschätzig die Hände aus. »Dafür wüsste ich allerdings auch keinen Grund. Wie ich Tom kenne, versucht er wahrscheinlich, sich wie dein Vater aufzuführen. Jedenfalls hörte er sich so an, als er mich vor einer Stunde anrief.« Er beugte sich ein wenig nach vorn und senkte die Stimme. »Also, wie schlimm ist er wirklich?«
    Ryan zuckte mit den Achseln. »Er tut nur die ganze Zeit so, als wüsste er genau, was das Beste ist für meine Mutter und mich. Als könnten wir nicht selbst auf uns aufpassen.«
    »Klingt ganz nach Tom«, meinte Pater Sebastian mit einem Seufzer. »Er versucht ständig, sich in das Leben anderer Leute einzumischen. Das ist eigentlich auch der
Grund, warum ich heute Nacht hierhergekommen bin - es erschien mir einfacher, zu tun, worum er mich gebeten hat, als stundenlang mit ihm zu diskutieren. Obwohl ich zugeben muss, dass ich manchmal denke …« Abrupt brach er ab und reckte mit Nachdruck den Mittelfinger seiner rechten Hand in die Luft. »Du weißt, was ich meine, oder?«
    »Du meine Fresse«, entfuhr es Ryan gedankenlos. »Was sind Sie denn für ein Priester?«
    »Eigentlich bin ich psychologischer Betreuer an der St. Isaac’s Academy«, erklärte Pater Sebastian mit einem schiefen Grinsen, und bei seinen nächsten Worten triefte seine Stimme vor Sarkasmus. »Na, siehst du jetzt klarer?«
    Ryan stöhnte genervt. »Super - er hat Sie also mitten in der Nacht hierhergehetzt, nur damit Sie mich überreden, auf die St. Isaac’s zu gehen! Hat sich wohl gedacht, dass ich so vollgepumpt bin mit Medikamenten, dass ich nicht merke, was hier gespielt wird, wie?«
    »Wahrscheinlich«, pflichtete Pater Sebastian ihm bei. »Aber eins musst du wissen: Wenn ich dich hier schlafend angetroffen hätte, hätte ich mich still und leise wieder zurückgezogen. Zugegeben, so spät noch aus dem Haus zu gehen und hierherzufahren war nicht mein Plan für diesen Abend gewesen, aber wie ich schon sagte, immer noch besser, als mit Tom Kelly zu debattieren. Nun, was meinst du? Willst du meinen Spruch hören, oder soll ich verschwinden und Tom sagen, dass du tief und fest geschlafen hast?«
    »Das würden Sie wirklich tun?«
    »Stell mich auf die Probe!«

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