Das Teufelslabyrinth
atmen, damit sie ja nicht verlosch, denn solange diese winzige Flamme brannte, konnte sie ihre Angst einigermaßen in Schach halten.
Was wäre, wenn Schwester Mary David etwas zustieße und sie nie mehr zurückkommen würde?
Wusste außer ihr jemand, wo sie steckte?
Kannte überhaupt irgendwer diese Kapelle?
Sofia schloss die Augen und atmete tief ein und wieder aus. Inzwischen genoss sie die Schmerzen und das Knien auf dem harten, kalten Steinboden, wusste sie doch, dass sie die Schmerzen verdient hatte, die Angst, die Sorge um den Schulverweis.
Jetzt bereute sie wirklich und schämte sich ihrer Sünden.
Und hatte panische Angst davor, dass der Christus über ihr die einzelne Flamme auslöschen könnte, die sie vor der Dunkelheit bewahrte, bis Schwester Mary David zurückkehrte, um zu verkünden, welche Art von Buße sie ihr auferlegte. Aber ganz gleich, was sie von ihr verlangte, sie würde alles tun. Nur diese Kerze sollte nicht verlöschen …
»O mein Gott«, sagte sie jetzt ein bisschen lauter, da der Klang ihrer Stimme ihre einzige Begleitung war. »Ich bereue von Herzen, dass ich gesündigt und Dich, meinen besten Herrn, beleidigt habe …«
17
Ohne etwas zu sehen, stierte Darren auf den Bildschirm des Fernsehers. Er versteckte sich nicht wirklich im Aufenthaltsraum des Knabentraktes, er wollte nur Pater Sebastian aus dem Weg gehen. Wobei es eigentlich ganz gleich war, wo er sich aufhielt; früher oder später würde der Priester ihn ohnehin finden.
Zum Glück musste er sich mit Pater Sebastian auseinandersetzen und nicht mit Schwester Mary David - er mochte sich gar nicht vorstellen, was sie mit Sofia anstellte.
Die Tür zum Gemeinschaftsraum ging auf, und Darren brauchte nur Clay Matthews’ Gesicht anzusehen, um zu wissen, wer in der Tür stand. Die Tatsache, dass jeder in diesem Raum sich ein wenig aufrechter hinsetzte, bestärkte Darren nur in der Gewissheit, dass seine Zeit gekommen war, und als José Alvarez wortlos nach der Fernbedienung griff und den Fernseher abstellte, war das für ihn die endgültige Bestätigung. Kein Mensch setzte sich wegen Bruder Francis aufrechter hin, geschweige denn, dass jemand auf die Idee käme, wegen ihm den Fernseher auszumachen.
»Darren?«, ertönte denn auch die Stimme von Pater Sebastian.
Darren wurde krebsrot im Gesicht, und das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Es war ein Fehler gewesen, in den Gemeinschaftsraum zu gehen, schoss es ihm durch den Kopf, denn nun musste er sich hier vor all seinen Freunden von dem Priester zur Schnecke machen lassen. Und Pater Sebastian würde es sich gewiss nicht nehmen lassen,
bei dieser Gelegenheit ein Exempel zu statuieren. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. »Ja?«, antwortete er schließlich, wobei er versuchte, dieses eine Wort weder schuldbewusst noch ängstlich klingen zu lassen, was ihm jedoch gründlich misslang.
»Ich höre, du und Sofia Capelli habt heute Abend gegen die Hausordnung verstoßen.«
Da Pater Sebastian keinen allzu wütenden Eindruck machte, riskierte Darren ein unverbindliches Schulterzucken. »Möglich«, erwiderte er.
»Wie bitte?« Die Stimme des Priesters gewann dermaßen an Schärfe, dass Darren sich augenblicklich zu ihm umdrehte. »Sagtest du möglich ?«
Darren blickte zu dem Priester hoch und fuhr sich mit der Zungenspitze nervös über die Lippen. »Ich meine, ja, Pater, das haben wir.« Das sagte er so eifrig, dass seinem Zimmergenossen ein leises Kichern entfuhr.
Ein rascher Seitenblick des Priesters genügte, um Tim Kennedy zum Schweigen zu bringen, dann wandte er sich wieder an Darren. »Glaubst du, du kannst Regeln einfach so brechen, wie es dir gerade passt?«
Der abrupte Wechsel zurück zu einem normalen Unterhaltungston machte Darren nur noch nervöser. »N-nein, Sir«, stotterte er.
»Also?«
Darren setzte alles auf eine Karte. »Wir haben nur ein bisschen rumgemacht.«
»Das ist nicht genau das, was Schwester Mary David ihren Worten nach gesehen hat«, gab der Priester zurück.
»Aber wir haben wirklich nichts Schlimmes getan«, protestierte Darren und bereute seine Worte sofort, als er sah, wie sich die Miene des Priesters verdüsterte.
»Also, dann wollen wir mal sehen«, begann der Priester. »Erstens, du hast den Mädchentrakt betreten, was allein schon ein Verstoß gegen die Hausregeln ist, mal ganz abgesehen davon, ob das, was du in Sofias Zimmer getrieben hast, falsch ist oder …«
»Vielleicht sind ja die Regeln falsch«, platzte Darren heraus und wusste
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