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Das Teufelslabyrinth

Das Teufelslabyrinth

Titel: Das Teufelslabyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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was er probierte, irgendwie fand er keinen bequemen Platz in dem Bett.
    Und die letzte Person, die in diesem Bett geschlafen hatte, war aufgestanden, hatte jemanden umgebracht und war dann selbst umgebracht worden.
    Ryan erschauderte unter einer Gänsehaut, zog die Laken bis übers Kinn hoch und zwang sich, an etwas anderes zu denken.
    An irgendetwas anderes.
    Seinen Vater.
    Er wollte an seinen Vater denken.
    Doch da fiel ihm nur der Abend ein, als seine Mutter und er die Nachricht von seinem Tod erhalten hatten. Danach war er nicht imstande gewesen, das Licht in seinem Zimmer zu löschen, und war stattdessen ins Elternschlafzimmer gegangen und hatte sich neben seine
schluchzende Mutter gelegt. Er hatte sie in den Arm genommen, und sie hatte ihre Arme um ihn gelegt, und so hatten sie sich beide zusammen in den Schlaf geweint.
    Demnach war das hier nicht das erste Mal, dass er im Bett eines Toten schlief.
    Wieder ein Gedanke, der seinem Wunsch nach Schlaf nicht eben förderlich war. Angestrengt konzentrierte er sich auf das Gesicht seines Vaters, das in seiner Erinnerung so präsent war, als hätte er ihn erst gestern zum letzten Mal gesehen. »Gute Nacht, Dad«, flüsterte er in sein Kopfkissen und glaubte, die Stimme seines Vaters ebenfalls »Gute Nacht« sagen zu hören.
    Und dann, gerade als er am Einschlafen war, hörte er etwas.
    Einen ganz hohen, durchdringenden Laut.
    Zuerst glaubte er, das Geräusch käme von draußen, irgendwo von der Straße her, doch als er aus dem Bett stieg und leise ans Fenster schlich, wusste er, dass er sich getäuscht hatte.
    Das Geräusch kam hier aus dem Gebäude.
    Von irgendwo unter ihm.
    Wieder hörte er es, doch diesmal wuchs der Laut zu einem richtigen lauten Schrei an.
    Ryans Herz begann zu rasen, und die Schmerzen in seiner Brust nötigten ihm selbst beinahe einen Schrei ab, während er Clay Matthews wach rüttelte. »Clay! Wach auf! Hast du das nicht gehört?«
    Clay drehte sich instinktiv von Ryans Hand weg, die an seiner Schulter rüttelte, doch dann machte er die Augen ein kleines Stück auf und blinzelte Ryan an. »Was gehört?«, fragte er mit schlaftrunkener Stimme.
    »Diesen Schrei. Gerade eben.«

    Clay starrte ihn verdutzt an. »Ich hab nichts gehört.« Wie war das möglich?, dachte Ryan. Clay musste ihn gehört haben. Jetzt stützte sich Clay auf die Ellbogen und sah Ryan an. »Ach, das war wahrscheinlich nur ein Geist«, sagte er mit absolut ernsthafter Stimme und fügte hinzu, als hätte er Ryans Gedanken gelesen: »He, hier gehen Geister um, das kannst du mir glauben. Aber beachte sie einfach nicht.«
    Ryan verdrehte die Augen. »Geister, na klar. Warum bin ich da nicht selbst drauf gekommen?«
    Clay ließ sich wieder auf sein Kissen fallen. »Du, mir ist es schnurzegal, ob du mir glaubst oder nicht.« Er wandte den Kopf ab und schaute auf die Digitaluhr auf seinem Schreibtisch. »Oh, Mann«, stöhnte er genervt, »es ist schon spät, und wir schreiben morgen in der ersten Stunde einen Geschichtstest. Gute Nacht.«
    Ryan musterte Clay argwöhnisch und überlegte, ob sein Zimmergenosse tatsächlich glaubte, was er da eben behauptet hatte, oder ob er ihn nur auf den Arm nehmen wollte. Aber Clay war schon wieder eingeschlafen, was ein leises Schnarchen aus seiner Ecke bewies. Ryan ging zurück zu seinem eigenen Bett, legte sich vorsichtig nieder, deckte sich zu und verhielt sich ganz ruhig.
    Stille hatte sich über den Raum gesenkt. Aber nicht nur über dieses Zimmer.
    Plötzlich war es überall still. Kein Laut drang von der Straße herein, der Verkehr war vollkommen verstummt; nicht einmal eine Maus scharrte hinter der Holzverkleidung.
    Nichts.
    Ryan zog sich die Decke bis unter die Nasenspitze hoch und versuchte sich zu entspannen. Doch obgleich
sein Körper wirklich nach Ruhe schrie, wusste er, dass an Schlaf nicht zu denken war.
    Nicht im Bett eines Toten.

20
    Am nächsten Morgen saß Ryan im abgedunkelten Klassenzimmer und starrte stumm auf die Dia-Leinwand, die an der Tafel hing. Darauf zu sehen war eine Frau, die mit dicken Stricken an einen Holzpfahl gefesselt war. Ihre Brüste waren nackt, und an ihren Füßen züngelten Flammen in die Höhe. Es war ein mittelalterlicher Holzschnitt auf weißem Papier, und der intensive Kontrast verstärkte noch den Ausdruck von panischer Angst und unsäglichen Schmerzen im Gesicht dieser Frau. In seinen Ohren erklang das Echo des Schreis, den er in der Nacht zuvor gehört hatte, doch jetzt schien er direkt aus dem Mund

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