Das Teufelsspiel
spritzte Blut hervor. »Tom«, flüsterte sie. »Warum? … Oh, Tom.« Dann sank sie nach hinten, hielt weiter ihr Bein umklammert und keuchte vor Schmerz.
Genau wie beim Museum hatte Boyd jemanden angeschossen, um die Polizei abzulenken und sich selbst die Flucht zu ermöglichen. Nur diesmal war es seine Freundin.
Sachs hörte Glas splittern. Boyd schlug offenbar ein Fenster ein.
Die Frau flüsterte etwas vor sich hin, das Sachs nicht verstand. Amelia funkte Haumann an und setzte ihn über die Lage in Kenntnis. Er schickte sofort Sanitäter und Verstärkung. Aber der Krankenwagen wird ein paar Minuten benötigen, dachte sie. Ich muss ihr helfen. Eine Aderpresse würde die Blutung verlangsamen. Ich kann ihr das Leben retten.
Nein. Er darf nicht entwischen.
Sie warf einen schnellen Blick um die Ecke und sah Boyd aus dem Flurfenster in den Garten neben dem Haus steigen.
Sachs zögerte und schaute erneut zu der Frau. Sie hatte das Bewusstsein verloren, und ihre Hand war von der fürchterlichen Beinwunde gerutscht. Unter ihrem Körper bildete sich bereits eine große Blutlache.
O Gott …
Amelia machte einen Schritt auf sie zu. Und blieb stehen. Nein. Du weißt, was du tun musst. Sie lief zu dem Seitenfenster und sah nach draußen, wieder nur ganz kurz, falls er ihr auflauerte. Aber Boyd verließ sich anscheinend darauf, dass sie die Frau retten würde. Er rannte die Kopfsteinpflastergasse hinunter und blickte nicht zurück.
Sie schaute nach unten. Es waren knapp zwei Meter bis zum Boden. Der Schmerz nach dem vermeintlichen Sturz vor zwanzig Minuten war gespielt gewesen; ihre chronischen Schmerzen blieben trotzdem.
O Mann.
Sie setzte sich auf das Fensterbrett, achtete sorgfältig auf die Scherben, schwang die Beine nach draußen und stieß sich ab. Um den Aufprall etwas zu mildern, hielt Sachs ihre Knie gebeugt. Doch zwei Meter waren eine beachtliche Fallhöhe, und als sie landete, knickte ihr linkes Bein ein. Sachs fiel halb auf den Schotterweg, halb auf den Rasen und schrie vor Schmerz.
Keuchend rappelte sie sich auf und folgte Boyd, diesmal mit einem echten Humpeln. Kleine Lügen bestraft Gott sofort, dachte sie.
Sie schob sich zwischen einigen kargen Sträuchern hindurch und gelangte so vom Grundstück auf eine Gasse, die hinter den Häusern und Wohnungen verlief. Dort sah sie nach links und nach rechts. Von ihm war keine Spur zu entdecken.
Dann aber schwang etwa dreißig Meter vor ihr ein großes Holztor auf. Das war typisch für die älteren Stadtteile New Yorks – entlang schmaler Wege hinter den Häusern standen unbeheizte Einzelgaragen. Es erschien nur folgerichtig, dass Boyd sein Fahrzeug in einer Garage abstellte; das Überwachungsteam hatte es nirgendwo im näheren Umkreis entdecken können. Sachs lief so gut sie konnte los und gab über Funk seine Position an die Leitstelle durch.
»Verstanden, Fünf Acht Acht Fünf. Wir sind unterwegs.«
Während sie sich auf wackligen Beinen der Garage näherte, klappte sie die Trommel von Sellittos Revolver auf und verzog das Gesicht. Der Lieutenant zählte zu den eher vorsichtigen Waffenbesitzern. Die Kammer unter dem Hahn war leer.
Fünf Schuss.
Gegen Boyds Automatik mit dreimal so vielen Patronen und den ein oder zwei Reservemagazinen, die er vermutlich bei sich trug.
Amelia hörte einen Motor anspringen. Eine Sekunde später kam der blaue Buick zum Vorschein. Er fuhr rückwärts auf sie zu. Die Gasse war zu eng, um ungehindert wenden zu können, also musste Boyd anhalten, ein Stück vorfahren und wieder zurücksetzen. Das verschaffte Sachs die Gelegenheit, den Abstand auf ungefähr zwanzig Meter zu verkürzen.
Boyd beendete das Wendemanöver und gab Gas. Das Garagentor stand wie ein Schild zwischen ihm und Sachs.
Sachs ließ sich bäuchlings zu Boden fallen und sah, dass sich ihr in dem schmalen Spalt unter dem Garagentor nur ein Ziel bot: die Hinterräder.
Amelia visierte das rechte an.
In städtischer Umgebung durften Polizisten erst dann feuern, wenn sie wussten, wo die Kugel landen würde, falls sie das Ziel verfehlte oder durchdrang und weiterflog. Als Boyds Wagen sich nun von Sachs entfernte, dachte sie für den Bruchteil einer Sekunde an diese Vorschrift, dann jedoch an Geneva Settle. In diesem Moment gab es für sie nur eine Regel: Der Scheißkerl durfte nicht davonkommen.
Um das Risiko zu minimieren, würde sie möglichst tief zielen, damit die Kugel bei einem Fehlschuss vom Boden abprallte und im Fahrzeug landete.
Sie spannte den
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