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Das Teufelsspiel

Das Teufelsspiel

Titel: Das Teufelsspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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gesprochen haben. Aber mit niemandem hier. Er hat keiner Menschenseele getraut.« Sein texanischer Akzent kam und ging, als habe Boyd sich schon seit längerem bemüht, ihn loszuwerden.
    »Falls Sie lügen, und jemand tut ihr etwas an, können wir Ihnen den Rest Ihres Lebens zur Hölle machen«, drohte Sachs.
    »Wie denn?«, fragte Boyd und klang dabei wirklich neugierig.
    »Sie haben Dr. Barry ermordet, den Bibliothekar. Sie haben Polizisten angegriffen und zu töten versucht. Das könnte zu mehreren lebenslangen Haftstrafen führen. Und wir untersuchen den Tod eines Mädchens, gestern auf der Canal Street. Jemand hat es vor einen Bus gestoßen, kurz nachdem Sie aus der Elizabeth Street geflohen waren. Wir zeigen den Augenzeugen Ihr Foto. Man wird Sie nie wieder freilassen.«
    Er zuckte die Achseln. »Das spielt doch kaum eine Rolle.«
    »Es ist Ihnen egal?«, fragte Sachs.
    »Ich weiß, dass Leute wie Sie mich nicht verstehen. Das ist kein Vorwurf. Aber, sehen Sie, das Gefängnis interessiert mich nicht. Mich interessiert überhaupt nichts. Sie können mir nicht das Geringste antun. Ich bin bereits gestorben. Jemanden zu töten, bedeutet mir nichts. Ein Leben zu retten ebenso wenig.« Er sah Amelia Sachs an, die ihn anstarrte. »Ich kenne diesen Blick. Sie fragen sich, was für ein Ungeheuer hier vor Ihnen sitzt. Nun, Sie alle haben mich zu dem gemacht, der ich bin.«
    »Wir?«, fragte sie.
    »O ja, Ma’am … Sie kennen meinen Beruf.«
    »Leitender Exekutionsbeamter«, sagte Rhyme.
    »Jawohl, Sir. Lassen Sie mich Ihnen etwas über diese Arbeit erklären: Sie können den Namen eines jeden Menschen in Erfahrung bringen, der in den Vereinigten Staaten jemals legal hingerichtet wurde. Und das sind sehr viele. Gleiches gilt für die Namen aller Gouverneure, die bis Mitternacht tatenlos ausgeharrt haben – oder wann auch immer der Zeitpunkt verstrichen war, um die Vollstreckung des Urteils aufzuhalten. Sie können die Namen aller Opfer herausfinden, die von den Todeskandidaten ermordet wurden, und meistens auch die Namen ihrer nächsten Angehörigen. Doch wissen Sie, welche Namen Sie niemals lesen werden?«
    Er sah die Beamten an. »Die Namen derjenigen, die auf den Knopf drücken. Wir Henker sind vergessen. Jeder denkt darüber nach, wie die Todesstrafe sich auf die Familien der Verurteilten auswirkt. Oder auf die Gesellschaft. Oder auf die Familien der Opfer. Ganz zu schweigen von den Männern oder Frauen, die bei der Prozedur jämmerlich verrecken. Aber niemand verschwendet auch nur einen Gedanken an uns Henker. Niemand hält je inne und macht sich bewusst, was mit uns geschieht.
    Tag für Tag leben wir mit unseren Leuten zusammen – den Männern und natürlich auch den Frauen, die sterben werden. Wir lernen sie kennen, reden mit ihnen. Über Gott und die Welt. Wissen Sie, wie es ist, wenn ein Schwarzer Sie fragt, warum er sterben muss, wenn doch ein Weißer, der genau das gleiche Verbrechen begangen hat, mit einer lebenslangen Haftstrafe oder sogar weniger davonkommt? Oder der Mexikaner, der schwört, er habe dieses Mädchen nicht vergewaltigt und ermordet. Er wollte im Supermarkt bloß Bier kaufen, dann ist die Polizei gekommen, und nun sitzt er plötzlich in der Todeszelle. Ein Jahr nachdem er unter der Erde liegt, wird ein Gentest durchgeführt, und es stellt sich heraus, dass man tatsächlich den Falschen hingerichtet hat und er die ganze Zeit unschuldig war.
    Aber auch die Schuldigen sind menschliche Wesen. Du siehst sie jeden Tag. Bist anständig zu ihnen, denn sie sind anständig zu dir. Lernst sie kennen. Und dann … dann tötest du sie. Du, ganz allein. Mit deinen eigenen Händen drückst du den Knopf oder legst du den Schalter um … Das verändert dich.
    Kennen Sie den Ausruf? Sie haben ihn bestimmt schon gehört. ›Dead Man Walking‹. Angeblich sind damit die Häftlinge gemeint. Aber in Wahrheit sind wir es. Die Henker. Wir sind die Toten.«
    »Aber Ihre Freundin«, murmelte Sachs. »Wie konnten Sie auf sie schießen?«
    Er verstummte. Zum ersten Mal verfinsterte sich seine Miene. »Ich habe mit dem Schuss gezögert. Ich habe gehofft, es würde sich vielleicht ein Gefühl einstellen, ich sollte nicht abdrücken. Weil sie mir zu viel bedeutete. Ich würde ihr nichts tun und weglaufen, es einfach darauf ankommen lassen. Aber …« Er schüttelte den Kopf. »Es ist nicht passiert. Ich hab sie angesehen und mich einfach nur taub gefühlt. Und ich wusste, es wäre sinnvoll, sie anzuschießen.«
    »Und

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