Das Teufelsspiel
nur das«, sagte Rhyme. »Sie befand sich direkt unter diesem Gebäude.«
… Zweiundvierzig
»Wir haben einen Lageplan von Gallows Heights im neunzehnten Jahrhundert gefunden. Darauf sind drei oder vier große, mit Bäumen bestandene Besitzungen zu sehen. Eine umfasst diesen und die umliegenden Blocks. Gegenüber davon stand eine Schule für freie Afroamerikaner. Konnte das etwa seine Schule gewesen sein? Und am Ufer des Hudson River« – Rhyme schaute kurz zum Fenster – »gleich da drüben an der Einundachtzigsten Straße, gab es ein Trockendock und eine Schiffswerft. Hatte Charles den Arbeitern dort seinen Apfelwein verkauft? War das hier wirklich seine Farm?
Es ließ sich einfach überprüfen. Thom hat in Manhattans Grundbuchamt recherchiert und die Urkunde gefunden, mit der Charles’ Besitzer das Grundstück an Charles übereignet hatte. Jawohl, das hier war seine Farm. Der Rest ergab sich von selbst. All die Treffen in Gallows Heights mit Politikern und führenden Bürgerrechtlern fanden in Charles’ Haus statt. Das war sein Geheimnis – dass er mitten in Manhattan sechs Hektar erstklassiges Farmland besaß.«
»Aber wieso war das ein Geheimnis?«, fragte Hanson.
»Weil er nicht wagte, jemandem zu verraten, dass er der Besitzer war. Doch das hätte er natürlich gern getan. Das hat ihn so geplagt: Er war stolz, dass ihm eine große Farm in der Stadt gehörte. Er wollte ein Vorbild für andere ehemalige Sklaven sein und ihnen zeigen, dass auch sie als vollwertige Menschen behandelt und respektiert werden konnten. Dass sie Land besitzen und beackern konnten, als geachtete Mitglieder der Gesellschaft. Aber er hatte den Aufruhr von 1863 erlebt, die Lynchmorde an Schwarzen, die Brandstiftungen. Daher taten er und seine Frau so, als wären sie nur die Verwalter des Guts. Er fürchtete, jemand würde dahinterkommen, dass ein früherer Sklave ein großes Grundstück dieser Güteklasse besaß, und es zerstören. Oder, was wahrscheinlicher war, es ihm stehlen.«
»Und genau das ist passiert«, warf Geneva ein.
»Nach Charles’ Verurteilung wurde sein gesamter Besitz – darunter auch die Farm – beschlagnahmt und verkauft«, fuhr Rhyme fort. »So weit unsere hübsche Theorie:Man hängt jemandem ein Verbrechen an, um an sein Eigentum zu gelangen. Doch ließ diese Theorie sich irgendwie beweisen? Ziemlich viel verlangt, nach fast hundertvierzig Jahren – kälter kann eine Spur kaum noch sein … Tja, falsch gedacht. Die Exeter Strongbow Safes – von denen Charles einen im Gebäude des Bildungsfonds aufgebrochen haben soll wurden in England hergestellt, also habe ich einen Freund bei Scotland Yard angerufen. Er hat mit einem gerichtlichen zugelassenen Fachmann gesprochen, laut dessen Aussage es unmöglich wäre, einen aus dem neunzehnten Jahrhundert stammenden Exeter Safe lediglich mit einem Hammer und einem Stemmeisen zu öffnen, wie sie am Tatort gefunden wurden. Sogar mit den dampfbetriebenen Bohrmaschinen jener Zeit hätte man drei oder vier Stunden gebraucht – und in dem Artikel über den Diebstahl stand, Charles habe sich nur zwanzig Minuten im Haus aufgehalten.
Nächste Schlussfolgerung: Jemand anders hat den Diebstahl verübt, einige von Charles’ Werkzeugen dort platziert und dann einen Zeugen bestochen, der die Lüge präsentieren sollte. Ich glaube, der wirkliche Dieb war der Mann, der im Keller des Gasthauses Potters’ Field begraben lag.« Er erzählte von dem Winskinskie-Ring und dem Mann, der ihn getragen hatte: einem Angehörigen des korrupten Politapparats der Tammany Hall.
»Er war einer von Boss Tweeds Kumpanen. Ein anderer war William Simms, der Detective, der Charles verhaftet hat. Er wurde später angeklagt, Bestechungsgelder angenommen und Verdächtigen falsche Beweise untergeschoben zu haben. Simms, der Winskinskie-Mann, der Richter und der Ankläger haben gemeinschaftlich für Charles’ Verurteilung gesorgt. Und sie haben jenen Teil des geraubten Geldes behalten, der nicht sichergestellt wurde. So, wir wissen, dass Charles ein riesiges Grundstück in Gallows Heights besaß und hereingelegt wurde, damit man es ihm wegnehmen konnte.« Er hob eine Augenbraue. »Und wie lautet die nächste logische Frage? Die große Unbekannte?«
Niemand meldete sich.
»Ganz einfach: Wer, zum Teufel, steckte dahinter?«, blaffte Rhyme. »Wer hat Charles beraubt? Da das Motiv der Diebstahl der Farm war, musste ich bloß den nächsten Eigentümer ausfindig machen.«
»Wer war
Weitere Kostenlose Bücher