Das Teufelsspiel
für eine Highschool interessierte. Jax steckte ihm weitere vierzig zu. Das schien das Gewissen des kleinen Mannes erheblich zu erleichtern.
»Okay, wonach soll ich suchen?«
Jax zog ein Blatt Papier aus seiner Tarnjacke. Es war ein Text, den er sich von der Onlineausgabe der New Yorker Daily News heruntergeladen hatte. Er reichte den Zettel an Ralph weiter und wies mit ausgestrecktem Finger auf den Text. »Ich muss das Mädchen finden, von dem da die Rede ist.«
Ralph las den Artikel unter der Schlagzeile MUSEUMSANGESTELLTER IN MIDTOWN ERSCHOSSEN . Dann blickte er auf. »Da steht nichts über sie, weder wo sie wohnt noch wo sie zur Schule geht. Da steht nicht mal ihr Scheißname.«
»Sie heißt Geneva Settle. Und was den Rest angeht …« Jax nickte in Richtung der Tasche, in die der kleine Mann das Geld gesteckt hatte. »Dafür hast du ja schließlich die Kohle gekriegt.«
»Was willst du von ihr?«, fragte Ralph und starrte weiter auf den Artikel.
Jax ließ einen Augenblick verstreichen und beugte sich dann dicht neben das Ohr des Mannes. »Manche Leute stellen Fragen, schnüffeln herum und finden mehr heraus, als gut für sie ist.«
Ralph wollte noch etwas fragen, begriff dann aber offensichtlich, dass Jax sich nicht unbedingt auf das Mädchen bezogen hatte; vielleicht hatte der Blutgraffitikönig auch andeuten wollen, dass Ralph viel zu neugierig war. »Gib mir ein oder zwei Stunden.« Er nannte Jax seine Telefonnummer. Dann stieß der kleine Pharao sich von dem Drahtzaun ab, hob seine Bierflasche auf und machte sich auf den Weg.
Roland Bell fuhr mit dem zivilen Ford Crown Victoria durch das Zentrum von Harlem, einer Mischung aus Wohn- und Geschäftsgebäuden. Die großen Ketten – Pathmark, Duane Reade, Popeyes, McDonald’s – existierten Seite an Seite mit kleinen Tante-Emma-Läden, in denen man seinen Lohnscheck einlösen, die offenen Rechnungen bezahlen und dann Echthaarperücken oder Haarverlängerungen kaufen konnte, afrikanische Kunstgegenstände, Alkohol oder Möbel. Viele der älteren Häuser waren baufällig, und mehr als nur ein paar hatte man mit Brettern vernagelt oder durch metallene Rollläden gesichert, auf denen Graffiti leuchteten. Abseits der Hauptstraßen warteten defekte Haushaltsgeräte auf den nächstbesten Lumpensammler, und vor den Gebäuden und in den Rinnsteinen häufte sich Müll. Manches leere Grundstück hatte sich in einen improvisierten Garten verwandelt – oder war völlig zugewuchert. Bekritzelte Reklametafeln kündigten Konzerte im Apollo oder einem der anderen großen Veranstaltungsorte in Uptown an, während Hunderte von Handzetteln jede Wand und jeden Zaun bedeckten und für die Auftritte unbekannter Sänger, Discjockeys und Unterhaltungskünstler warben. Junge Männer standen in größeren Gruppen beisammen. Manche von ihnen musterten den Streifenwagen, der hinter Bell fuhr, mit einer Mischung aus Argwohn und Geringschätzung, vereinzelt auch mit offener Verachtung.
Als Bell, Geneva und Pulaski nach Westen abbogen, änderte sich das Gepräge der Gegend. Die leer stehenden Gebäude wurden abgerissen oder renoviert, und Bildtafeln an den Baustellen ließen erkennen, was für nahezu idyllische Wohnhäuser am Ende entstehen würden. Der Block, in dem Geneva wohnte, lag unweit des felsigen Morningside Park und der Columbia University. Die alten, stattlichen Gebäude waren in gutem Zustand, die Bürgersteige sauber und von Bäumen gesäumt. Die Wagen am Straßenrand mochten zwar überwiegend durch Lenkradkrallen gesichert sein, doch es befanden sich Modelle von Lexus und BMW darunter.
Geneva wies auf ein blitzsauberes viergeschossiges Sandsteinhaus mit verzierter Fassade und einem schwarzen schmiedeeisernen Zaun, der im Licht der Vormittagssonne schimmerte. »Da wohne ich.«
Bell hielt zwei Eingänge dahinter in zweiter Reihe.
»Äh, Detective«, sagte Ron Pulaski, »ich glaube, sie hat das Haus da hinten gemeint.«
»Ich weiß«, sagte er. »Ich habe mir angewöhnt, nicht gleich auszuposaunen, wo jemand wohnt, um den wir uns kümmern.«
Der Neuling nickte, als würde er sich diesen Punkt einprägen. So jung, dachte Bell. Noch so viel zu lernen.
»Wir werden ein paar Minuten drinnen sein. Halten Sie die Augen offen.«
»Ja, Sir. Wonach genau?«
Der Detective hatte keine Zeit, den Mann über die Feinheiten des Personenschutzes zu belehren; für diesen kurzen Abstecher würde schon seine Anwesenheit als Abschreckung genügen. »Nach bösen Jungs«, sagte
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