Das Teufelsspiel
dürre kleine Kerl sei eine gute Quelle. »Der hängt wirklich überall rum. Als würden ihm die Straßen gehören. Er weiß alles. Oder kann’s herausfinden.«
Nun nahm der Blutgraffitikönig einen tiefen Zug von seiner Zigarette und kam zur Sache. »Ich brauch etwas Unterstützung, Kumpel«, sagte Jax leise.
»Ja? Was denn?«
Was sowohl hieß »Was brauchst du?« als auch »Was springt dabei für mich heraus?«.
Das war nur fair.
Ein Blick in die Runde. Sie waren allein, abgesehen von ein paar Tauben und zwei kleinen hübschen Latinas, die gerade vorbeikamen.
Trotz der Kälte trugen sie knappe Tops und enge Shorts, die ihre erstklassigen Rundungen nur umso vorteilhafter zur Geltung brachten. »Ay, papi«, rief eine von ihnen Jax lächelnd zu, ohne stehen zu bleiben. Die Mädchen überquerten die Straße und bogen nach Osten auf ihr Gebiet ab. Die Fünfte Avenue war jahrelang die Grenze zwischen Black und Spanish Harlem – el barrio – gewesen. Alles östlich der Fünften hatte als fremdes Revier gegolten. Harlem mochte noch immer seine guten und schlechten Seiten haben, aber es war nicht mehr so wie früher.
Jax schaute den beiden hinterher. »Verdammt.« Er hatte lange im Gefängnis gesessen.
»Das kannst du laut sagen.« Ralph lehnte sich etwas anders an den Zaun und verschränkte die Arme wie ein ägyptischer Prinz.
Jax wartete eine Weile ab und beugte sich dann vor. »Ich brauch ’ne Knarre«, flüsterte er dem Pharao ins Ohr.
»Ganz schön unverfroren«, sagte Ralph nach kurzem Zögern. »Wenn man dich mit ’ner Kanone erwischt, ist sofort deine Bewährung weg. Und ein Jahr in Rikers wegen der Waffe kriegst du trotzdem noch obendrauf. Warum willst du ein solches Risiko eingehen?«
»Kriegst du das hin oder nicht?«, fragte Jax geduldig.
Der magere Typ veränderte wieder ein Stück seine Haltung und blickte zu Jax empor. »Ich hab echt was für dich übrig, Mann. Aber ich weiß nicht, ob ich dir helfen kann. Mit der Knarre, meine ich.«
»Dann weiß ich nicht, wem ich das hier geben soll.« Er holte das Bündel Scheine aus der Tasche, zählte ein paar Zwanziger ab und hielt sie Ralph hin. Natürlich mit aller gebotenen Vorsicht. Ein Schwarzer, der einem anderen auf den Straßen von Harlem Geld gab, konnte leicht die Aufmerksamkeit eines Bullen erregen, sogar wenn es sich bei dem Empfänger um den Pfarrer der nahen Baptist Ascension Pentecostal Church handelte.
Doch der Einzige, dessen Aufmerksamkeit erregt wurde, war Ralph. Er steckte das Geld ein und musterte das restliche Bündel. »Du schleppst da ’ne Menge Papier mit dir herum.«
»Allerdings. Und du hast jetzt einen Teil davon in der Tasche. Und die Chance, noch mehr zu bekommen. Heute ist dein Glückstag.« Er verstaute das Bündel wieder.
Ralph gab ein Grunzen von sich. »Was für ’ne Knarre?«
»Eine kleine, die sich leicht verstecken lässt, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Kostet fünf.«
»Kostet zwei, sonst könnt ich sie mir auch gleich selbst besorgen.«
»Kalt?«, fragte Ralph.
Als ob Jax eine Waffe gewollt hätte, die noch immer ihre Registriernummer trug. »Was hast du denn gedacht?«
»Dann vergiss zwei«, sagte der kleine Ägypter. Er wurde mutiger; man brachte niemanden um, der einem beschaffen konnte, was man benötigte.
»Drei«, bot Jax an.
»Dreieinhalb könnte klappen.«
Jax überlegte. Dann ballte er eine Hand zur Faust und berührte Ralphs Faust damit. Wieder ein Blick in die Runde. »Ich brauche noch etwas. Hast du Kontakte in den Schulen?«
»Ein paar. Welche Schulen meinst du? In Queens, Brooklyn oder der Bronx kenn ich mich nicht aus. Nur hier in der Hood.«
Insgeheim schnaubte Jax verächtlich auf. »Hood«, was für ’ne Scheiße. Er war in Harlem aufgewachsen und hatte noch nie woanders gelebt, abgesehen von Militärkasernen und Gefängnissen. Man konnte Harlem als alles Mögliche bezeichnen, wenn es denn unbedingt sein musste, aber »die Hood« war es garantiert nicht. In Los Angeles oder Newark gab es Hoods, wo die Straßen den Gangs gehörten. In Teilen von Brooklyn auch. Aber Harlem lag Welten davon entfernt, und Jax war sauer, dass Ralph dieses Wort benutzte, obwohl er es vermutlich gar nicht abschätzig meinte, sondern sich bloß zu viel Mist im Fernsehen anschaute.
»Nur hier«, sagte Jax.
»Ich kann mich mal umhören.« Er klang ein wenig verunsichert was nicht überraschend war, wenn man bedachte, dass ein Exsträfling mit 25.25-Verhaftung sich sowohl für eine Waffe als auch
Weitere Kostenlose Bücher