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Das Teufelsspiel

Das Teufelsspiel

Titel: Das Teufelsspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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ihren Einstellungen beurteilt, nicht nach ihrer Herkunft. Seine Auftraggeber waren Weiße, Schwarze, Araber, Asiaten und Latinos – und die Zielpersonen ebenfalls. Er konnte zwischen ihnen keinen Unterschied erkennen. Die Leute, die ihn anheuerten, sahen ihm nicht in die Augen und waren nervös und vorsichtig. Die Leute, die er tötete, starben manchmal mit Würde, manchmal voller Angst, aber das hatte weder mit ihrer Hautfarbe noch mit ihrer Nationalität zu tun.
    »Sie haben sich das anders vorgestellt«, fuhr er fort. »Ich habe mir das auch anders vorgestellt, das können Sie mir glauben. Doch was geschehen ist, lag im Bereich des Möglichen. Das Mädchen wird nun von fähigen Leuten beschützt. Aber wir wissen das, also treffen wir unsere Vorkehrungen und machen weiter. Wir dürfen uns nicht beirren lassen. Nächstes Mal kriegen wir sie. Ich habe jemanden hinzugezogen, der sich in Harlem ziemlich gut auskennt. Wir haben bereits herausgefunden, wo sie zur Schule geht, und bemühen uns derzeit um ihre Adresse. Vertrauen Sie mir, wir haben alles im Griff.«
    »Ich höre nachher meine Mailbox ab«, sagte der Mann und legte abrupt auf. Sie hatten nicht länger als drei Minuten miteinander gesprochen, was Thompson Boyds Obergrenze war.
    Überaus korrekt …
    Auch er legte nun auf – es war nicht nötig, seine Fingerabdrücke abzuwischen, denn er trug Lederhandschuhe. Dann ging er weiter. Auf der östlichen Straßenseite reihten sich hübsche Bungalows aneinander, und im Westen standen Mietshäuser. Es war ein altes Viertel. Ein paar Kinder kamen von der Schule nach Hause. Hinter den Fenstern konnte Thompson die Soap Operas und Nachmittagstalkshows flimmern sehen, während die Hausfrauen bügelten und kochten. Der Rest der Stadt mochte sich gewaltig verändert haben, aber hier herrschte überwiegend noch die Stimmung der fünfziger Jahre. Er fühlte sich an den Wohnwagenpark und den Bungalow seiner Kindheit erinnert. Ein schönes Leben, ein tröstliches Leben.
    Sein Leben vor dem Gefängnis, wo er so taub wie ein abgebundener Arm oder ein Bein nach einem Schlangenbiss geworden war.
    Einen Block voraus sah Thompson ein kleines blondes Mädchen in Schuluniform, das auf einen beigefarbenen Bungalow zusteuerte. Sein Herz schlug etwas schneller – nur einen oder zwei Schläge –, als er verfolgte, wie sie die kurze Betontreppe hinaufstieg, einen Schlüssel aus ihrer Schultasche nahm, die Tür öffnete und das Haus betrat.
    Auch er näherte sich nun diesem Bungalow, der genauso gepflegt wirkte wie all die anderen, vielleicht sogar noch ein kleines bisschen gepflegter. Auf einem Pfahl thronte die Figur eines Jockeys, dessen Gesicht nicht tiefschwarz, sondern politisch korrekt nur hellbraun bemalt war. Im Vorgarten grasten einige kleine Keramikrehe auf dem winzigen, sich gelb verfärbenden Rasen. Boyd ging langsam an dem Grundstück vorbei, schaute in die Fenster und setzte dann seinen Weg fort. Eine Windbö blähte die Einkaufstüte auf und ließ die Dosen dumpf aneinander schlagen. He, Vorsicht, ermahnte er sich. Und nahm die Tüte fester in die Hand.
    Am Ende des Blocks drehte er sich um. Ein Mann joggte, eine Frau versuchte, rückwärts einzuparken, ein Junge dribbelte mit seinem Basketball in einer laubbedeckten Auffahrt. Niemand achtete auf Thompson.
    Er ging zurück zu dem Haus.
     
    »Lass deine Schultasche nicht einfach im Flur liegen, sondern nimm sie mit in dein Zimmer, Brit«, wies Jeanne Starke ihre Tochter an.
    »Mom«, seufzte die Zehnjährige und schaffte es, das Wort auf mindestens zwei Silben zu strecken. Sie warf das lange Haar zurück, hängte die Jacke ihrer Schuluniform an die Garderobe und hob den schweren Rucksack auf, wobei sie übertrieben laut ächzte.
    »Hast du Hausaufgaben auf?«, fragte ihre hübsche Mutter. Die Mittdreißigerin hatte ihre langen braunen Locken mit einer rosaroten Haarklammer gebändigt.
    »Nein«, sagte Britney.
    »Keine?«
    »Keine.«
    »Beim letzten Mal hattest du aber trotzdem welche«, stellte ihre Mutter nachdrücklich fest.
    »Das waren keine richtigen Hausaufgaben, sondern ein Zeitungsartikel. Ich musste ihn bloß ausschneiden.«
    »Du hattest eine Aufgabe, die du zu Hause erledigen solltest. Eine Hausaufgabe.«
    »Tja, aber heute habe ich gar keine.«
    Jeanne spürte, dass da doch etwas war. Sie zog eine Augenbraue hoch.
    »Wir sollen nur etwas Italienisches mitbringen. Und dann vor der Klasse vorstellen. Du weißt schon, weil Columbus Day war. Der Mann war

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