Das Tibetprojekt
nun mit meinem Gott allein sein und ihn in dieser Stunde der Not um Beistand bitten.
Tun Sie, was Sie für richtig halten ...« Er ging.
Decker wusste in diesem Moment nicht mehr, was er glauben sollte. Aber falls der Kardinal recht hätte, dann war eines unübersehbar.
Wenn der Tempel des Schreckens im Potala Palast existierte und wenn dieser geheime Tempel der Urreligion gleichzeitig die
Quelle des Bösen und das Tor zur Unterwelt war, dann hatten ihn die Nazis mit Sicherheit und wie von Geisterhand geführt schon
entdeckt!
Das Böse hatte zum Bösen gefunden.
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Nach dem Gespräch mit Giallo hatten sie keine Sekunde gezögert und alle Vorbereitungen für den sofortigen Abflug nach Lhasa
getroffen. Wenn sie das Unheil noch stoppen wollten, mussten sie den Potala Palast rechtzeitig erreichen und verhindern, dass
der Tempel des Schreckens für immer verschüttet wurde. Mit Hilfe des Kartenmaterials der chinesischen Luftwaffe hatte Li Mai
einen Weg durch die niederen Regionen des Gebirges berechnet, den der Helikopter schaffen konnte. Luftlinie zu fliegen, war
technisch unmöglich. Ihre Reise würde aber trotz dieser kleinen Umwege nicht sehr lange dauern.
Während Li Mai konzentriert ihre vorgezeichnete Route auf dem Navigationsbildschirm nachflog, ergriff sie als erste das Wort.
»Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, dass der Professor mit dem Vatikan und dem israelischen Geheimdienst unter
einer Decke steckt?«
Decker schaute skeptisch auf die oft nur wenige Meter neben ihm vorbeijagenden Felsformationen, die bis in den Himmel zu ragen
schienen. »Seine Uhr.«
»Die auf dem Foto?«
»Ja. Sie wird von deutschen Kommandoeinheiten benutzt. Und sicher auch von anderen. Ich habe mich sofort gefragt, wie ein
Archäologe an so eine Spezialanfertigung kommt. Jetzt wissen wir es ... zieh hoch!« Decker |341| erschrak, als sie einen Grat so dicht überflogen, dass der Schnee aufgewirbelt wurde. »Hätten wir nicht doch besser den Jet
genommen? Das wird alles ziemlich knapp hier.«
Li Mai blieb gelassen. »Und wie hätten wir dann die 90 Kilometer vom Flughafen in Lhasa bis zur Stadt geschafft? Außerdem kommen wir so direkt von oben am schnellsten in den Potala.«
Sie drückte die Maschine im schnellen Wechsel in zwei kurz aufeinanderfolgende extrem enge Kurven. »Aber deshalb gleich zu
vermuten, dass der Vatikan hinter den Kulissen in die Geschichte eingreift und Geheimdienstaktionen gegen Nazis unterstützt,
erscheint mir doch arg verwegen.«
»Nicht unbedingt. Mir fiel während des Gesprächs mit dem Kardinal eine alte Geschichte ein. Es sind zwar nur Gerüchte, aber
sie halten sich hartnäckig. Demnach hat der Vatikan bereits mehrfach im Laufe der Zeit sogenannte Assassini angeheuert und
mit der gezielten Tötung von Feinden der Kirche beauftragt. Und eines ihrer Ziele war angeblich schon mal jemand, der auch
in unseren Fall als treibende Kraft verwickelt ist, nämlich Heinrich Himmler.«
Mai Li blickte Decker an. »Der Vatikan soll einen Anschlag auf Himmler geplant haben?«
»Schau nach vorne!«, rief er und zeigte auf die weiße Wand, die auf sie zukam. Erst als sie vorbei war, fuhr er nervös fort.
»Es wird sich nie beweisen lassen. Und er ist wohl auch fehlgeschlagen. Aber vielleicht hat Rom damals schon frühzeitig erkannt,
dass Himmler die Bildung einer neuen Kriegerreligion vorantrieb. Und der Vatikan ahnte möglicherweise die Bedrohung, die davon
ausging. Rom musste befürchten, dass Hitler eines Tages den Heiligen Vater und die ganze katholische Kirche vernichten |342| würde. Um das zu verhindern, wollten sie die Schlüsselfigur bei der Bildung des neuen N S-Glaubens , Himmler, rechtzeitig beseitigen. Der Vatikan hätte also vorausschauend und aus Selbstschutz gehandelt. Nicht auf militärischem,
sondern auf geistigem Gebiet. Das ließe sich vor Gott sicher vertreten.«
»Das ist doch Irrsinn.«
»Kann sein. Aber wenn man es mal eine Weile als Gedankenspiel zulässt, dann werden noch ganz andere Eingriffe des Vatikans
in den Lauf der Welt denkbar.«
Li Mai sah Decker wieder an: «Woran denkst du?«
»Ich sagte, nach vorne schauen – Das wird schon wieder sehr knapp!« Er hielt sich am Sitz fest, während sie im Tiefstflug
über eine Pass-Straße und durch ein Joch raste. »Ich denke an den Kardinal. Er verschweigt uns immer noch etwas.«
»So, und was ist das?«
»Nun, ich denke, die Kirche empfindet es als
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