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Das Tibetprojekt

Titel: Das Tibetprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Kahn
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wäre?«, sagte Li Mai.
    Jetzt mischte Decker sich ein. »Euer Eminenz, Sie müssen uns alles sagen! Wo genau ist dieser Gokang?«
    »Es gibt eine Legende. Auf dem Berg, auf dem heute der Potala steht, hatte Schrongtsam Gampo bereits im 7.   Jahrhundert seinen Regierungssitz. Man sagt, es gäbe dort tief im Inneren eine geheime Höhle, wo der König den alten Göttern
     des Bön huldigte – bevor und nachdem er den Buddhismus ins Land holte. Diese Höhle liegt irgendwo unter den öffentlich zugänglichen
     Grabkammern der Dalai Lamas und sogar noch unter der von Schrongtsam Gampo und Weng Chen. Sie wurde nie entdeckt. Es muss
     aber einen gut versteckten Zugang von der Kammer Schrongtsam Gampos aus geben. Vermutlich haben die alten Schamanen die Kammer
     irgendwann |337| versiegelt und den Eingang vermauert. Aber sie existiert. Genau wie die vielen Geheimgänge in dem Berg, durch die der 6.   Dalai Lama nachts zu seinen Frauen ins Dorf geschlichen ist. Der ganze Potala ist ein gewaltiges Mausoleum und steckt voller
     Rätsel, wie die Cheopspyramide.«
    Decker schüttelte den Kopf. »Der Tempel des Schreckens befindet sich also unter dem angeblichen Palast des Friedens?«
    Der Kardinal sah ihn an. »Das Böse im Gewand des Guten. Wieso nicht, die ehemaligen Gefängnisse und Folterkammern liegen doch
     auch noch dort in den dunklen Kellern.«
    Decker überlegte. »Ist dieser Gokang unter dem Potala dann auch der Ort, an dem die vier Dalai Lamas umgebracht wurden?«
    »Genau das war der Ausgangspunkt für die Überlegungen von Professor Weinberg. Bis ins 18.   Jahrhundert muss es einen Eingang gegeben haben. Und den hat er anscheinend gefunden. Dafür musste er sterben.«
    Decker sprach vor sich hin. »Der Palast des Lichts ist in Wahrheit ein Ort der Finsternis.«
    Li Mai bemerkte: »Immerhin waren seine tausend Zimmer wohl Schauplatz für tausend Verbrechen.«
    »Es sind keine tausend«, sagte der Kardinal. »Wenn man sie korrekt zählt, sind es nur 999.   Sagt Ihnen diese Zahl etwas?«
    »Nein.«
    »Drehen Sie sie rum.«
    »Rumdrehen?«
Wie das Hakenkreuz?
    »Stellen Sie sie auf den Kopf, dann ist es 666.   Das Zeichen des Teufels!«
    »Das ist doch Spinnerei«, sagte Li Mai.
    |338| »Meinen Sie?«, fragte der Kardinal herausfordernd. »Wissen Sie, wie viele Stockwerke der Potala Palast hat?«
    »Das ist mir nicht präsent«
    »Dreizehn.«
    Decker war verblüfft.
    »Es ist die Zahl des Unheils«, sagte der Kardinal. »Eine Legende besagt auch, dass der Berg ursprünglich nicht ganz so hoch
     war. Er wurde von den Buddhisten aufgeschüttet, bevor man den Potala darauf baute. Als wollte man das alte Verlies noch tiefer
     in die Erde verlegen und verhindern, dass die alten Dämonen ausbrechen können. Das Material dazu nahm man direkt vom Fuße
     des Berges. Dadurch entstand der kleine See vor dem Potala. Kennen Sie den Namen des Sees?
    »Nein.«
    »Er heißt Wongtang. Sie brauchen sicher nicht viel Fantasie, um die durch die Zeit und mündliche Überlieferung leicht entstellte
     Wurzel des Namens zu erahnen. Das ursprüngliche Wort musste nur wenig dem heimischen Sprachgebrauch angepasst werden.«
    Decker überlegte einen Moment. »Ich erkenne nichts.« Doch dann: »Wotan!«
    »Na bitte. Überzeugt?«, fragte der Kardinal.
    Decker wurde regelrecht schwindlig.
    »Glauben Sie an drei solche Zufälle?« Der Kardinal fuhr fort: »Die Wahrheit ist die: Der höchstgelegene Tempelpalast der Welt
     steht auf dem größten und wichtigsten Gokang von Tibet. Er ist nichts anderes als das Tor zur Unterwelt.« Der Kardinal sprach
     jetzt mit lauter Stimme wie ein Prophet: »Unter dem Potala hausen die Dämonen der blutigen Ur-Religion. Die Geister des Bön.
     Der Antichrist. Es ist die Quelle alles Bösen in der Welt. Der Eingang zu Satans Reich. Das Tor zur Hölle.«
    |339| Decker und Li Mai sahen, dass sich Todesangst auf dem Gesicht des Kardinals ausbreitete. Seine Augen weiteten sich, und er
     schien fast geistesabwesend zu sein, denn er hatte in seinem Innern zu beten begonnen:
Vater unser, der Du bist im Himmel   ...
    Mit scheinbar letzter Kraft fügte Giallo hinzu: »Deshalb tobt seit seiner Erbauung das Unheil in den Korridoren des Palastes
     und hat Tibet nur Leid gebracht. Und deshalb zieht der Potala die Mächte des Bösen aus der ganzen Welt an.«
    Während er innerlich weiter betete, stand er auf und blickte ein letztes Mal in die Kamera »So, nun wissen Sie alles. Mehr
     kann ich nicht für Sie tun. Ich muss

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