Das Todeswrack
Geheimgesellschaften gewatet, aber der Hinweis auf Kolumbus hat die Sache dann eingegrenzt. Ich bin einer dieser vereinzelten Spuren gefolgt, die aus obskuren Quellen plötzlich auf dem Monitor auftauchten. Eine Fußnote, die in lediglich einem einzigen Satz besagte, Kolumbus habe angeblich in Verbindung mit einer Gruppe gestanden, die sich Bruderschaft des Heiligen Schwerts der Wahrheit nannte. (Lange Titel und Namen waren damals ziemlich beliebt.) Kann nicht bestätigen, ob er Mitglied gewesen ist. Vermutlich nicht.
Die Bruderschaft wurde im fünfzehnten Jahrhundert während der spanischen Inquisition von einem Archidiakon namens Hernando Perez gegründet, dem Leiter eines mächtigen Klosters, das für seinen radikalen Glauben berüchtigt war.
Selbstgeißelungen, Büßerhemden und dergleichen. Perez stand noch ein Stück rechts von Torquemeda, und der war immerhin der Großinquisitor. Aus seinem Kloster wählte Perez die fanatischsten seiner Gefolgsleute aus. Diese Brüder bildeten den treuen Kern seiner Gesellschaft.
Perez war total verrückt, mit felsenfesten Überzeugungen und der Bereitschaft, Gewalt und Mord zum Erreichen seiner Pläne einzusetzen. Er erteilte seinen Leuten Absolution, ganz gleich, wie viel Blut sie für sein Ziel vergossen, und dieses Ziel war die Vernichtung aller Ketzer. Und nebenbei die Anhäufung von Reichtümern. Die Beute, die sie bei ihren Opfern erzielten, teilten sie mit der Inquisition. Die Bruderschaft war im Verborgenen tätig und spürte die Ungläubigen auf, damit sie der Mordmaschinerie der Inquisition ausgeliefert werden konnten.
Manchmal schickte man auch eigene Killerbanden. Oder man sah gegen ein deftiges Entgelt von einer Verfolgung ab.
Zumindest solange man ein Opfer schröpfen konnte. Ketzerei war weit verbreitet. Was uns zu einem weiteren interessanten Punkt bringt.
Damals konnte man auf dem Scheiterhaufen landen, wenn man behauptete, Kolumbus habe Amerika entdeckt! Die Heilige Schrift hatte die amerikanischen Kontinente an keiner Stelle erwähnt. Es passte nicht zu der Geschichte von Adam und Eva.
Als Kolumbus daher verkündete, er habe Indien oder China erreicht, stützten die maßgeblichen Stellen diese Version.
Die wirklichen Gründe waren jedoch politischer Natur. Kirche und Staat waren ein und dasselbe. Wenn jemand das Dogma der Kirche in Frage stellte, bedrohte das den Thron. Kamen erst einmal Zweifel daran auf, ob die kirchliche Lehre hinsichtlich der geographischen Verhältnisse überhaupt zutraf, würde der Pöbel vielleicht als Nächstes die Frage stellen, wieso das Volk verhungerte und die Bischöfe und Könige allesamt wohlgenährt waren. Dann würde es nicht mehr lange dauern, bis der Mob die Paläste stürmte.
Außerdem standen Millionen auf dem Spiel. Spanien wollte die Reichtümer der Neuen Welt für sich allein. Falls andere Länder beweisen konnten, dass Kolumbus Indien nicht als Erster erreicht hatte, würden Spaniens Rivalen, beispielsweise Portugal, eventuell ebenfalls Ansprüche auf die neuen Ländereien und Schätze anmelden. Gold bedeutete neue Kriegsschiffe und die Aushebung von Armeen, das heißt, wir sprechen hier von der Vorherrschaft in Europa.
Das Schreckensinstrument des spanischen Staats, die Inquisition, sorgte also vor. Der Glaube, es gäbe einen Kontinent mit anderen Kulturen, die womöglich bereits vor Kolumbus Kontakt zur Alten Welt gehabt hatten, wurde zur Ketzerei erklärt und mit dem Verbrennungstod geahndet.
Um Ihnen zu verdeutlichen, wie gefährlich dieser Gedanke war, bedenken Sie Folgendes: Amerigo Vespucci wurde vom König in geheimer Mission ausgesandt, um Kolumbus’ Entdeckungen zu überprüfen. Als Vespucci bewies, dass Kolumbus nicht etwa eine Abkürzung nach Indien, sondern einen neuen Kontinent gefunden hatte und dabei eventuell nicht einmal der Erste gewesen war, nannte man ihn einen Ketzer und forderte ihn auf, öffentlich zu widerrufen. Indem sie dies zu einem Kapitalverbrechen erklärten, gaben die Spanier stillschweigend zu, dass es
tatsächlich
einen früheren Kontakt gegeben hatte. Torquemada war ein gerissener alter Teufel. Er sagte, selbst
wenn
die Indianer einen Besucher aus dem Westen empfangen hatten, den sie Quetzalcoatl nannten, musste es sich bei dem Fremden um einen Weißen und Spanier gehandelt haben. Dies bedeutete, dass Spanien sogar schon vor Kolumbus’ Geburt ein Anrecht auf die neuen Ländereien hatte.
Ich kann bestätigen, dass fünf Seeleute gestorben sind, nachdem sie bei Kolumbus
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