Das Todeswrack
hufeisenförmigen Muschelkiesauffahrt an und stieg aus. Dann folgte er einem Gehweg, auf dessen beiden Seiten sich weithin ein gepflegter Rasen erstreckte, zu der breiten offenen Veranda und klingelte an der Tür. Er hörte das Läuten im Innern des Hauses. Keine Reaktion. Vielleicht hatte die Frau in dem Restaurant etwas falsch verstanden. Oder vielleicht hatte Donatelli auch seine Pläne geändert und war früher als erwartet nach New York zurückgekehrt.
Austin runzelte die Stirn. Möglicherweise verschwendete er hier gerade seine Zeit. Er hatte von vornherein gewusst, dass er nach einem Strohhalm griff, indem er versuchte, einen Raub auf See, der sich vor mehreren Jahrzehnten zugetragen hatte, mit der Ermordung der Archäologen in Verbindung zu bringen. Er fragte sich, ob er wohl noch den Rückflug nach D. C. erreichen würde. Ach, zur Hölle. Er würde beinahe genauso schnell wieder zu Hause sein, wenn er über Nacht blieb und erst am nächsten Morgen zurückflog. Nachdem er diese Entscheidung getroffen hatte, beschloss Austin, das Gelände zu erkunden. Er verließ die Veranda und ging um das Haus herum.
Vor einiger Zeit war über Nantucket die Plage der »Repräsentationshäuser« hereingebrochen. Damit bezeichnete man Gebäude, die so groß waren, dass sie sich als kleine Hotels eignen würden. Ihre Eigentümer waren wohlhabende Leute, denen die Zahl der bewohnbaren Quadratmeter als ein Mittel galt, ihre Nachbarn zu überflügeln. Donatellis Haus war sehr geräumig, und der Erbauer hatte es geschafft, eine italienische Architekturlinie mit den traditionelleren silbergrauen Schindeln und der weißen Fassade in Einklang zu bringen. Das alles wirkte sehr geschmackvoll.
Hinter dem Haus befanden sich ein ansehnlicher Gemüsegarten sowie eine Kinderschaukel samt Rutsche. Austin folgte dem Geräusch der Brandung über einen großen Rasen bis zum Randeiner sandigen Klippe und blieb einen Moment lang am oberen Ende einer verwitterten Treppe stehen, die nach unten zum Strand führte. Der Nebel verhinderte die Sicht auf das Ufer und dämpfte zugleich das Rauschen des Meeres, aber Kurt konnte hören, wie in einiger Entfernung die Wogen klatschend an die Küste brandeten. Er drehte sich um und schaute zurück zum Haus. In dem dichter werdenden Nebel und dem nachlassenden Tageslicht war das Gebäude kaum zu erkennen.
Mehr konnte er nicht tun. Austin kehrte zum Wagen zurück und schrieb eine kurze Nachricht, die auch seine Telefonnummer umfasste. Darin bat er Donatelli, ihn so bald wie möglich anzurufen. Dann schlenderte er erneut zur Eingangstür. Eine etwas veraltete Art der Kommunikation, aber es könnte funktionieren. Wenn er wieder im Büro war, würde er selbst noch einmal telefonisch nachhaken.
Er stieg auf die breite Veranda empor und klemmte die zusammengerollte Notiz unter den verzierten Türklopfer. Das Gewicht des Messingrings würde hoffentlich verhindern, dass der Zettel vom Wind weggeblasen wurde. Dann erkannte Kurt auf einmal, dass er sich um weitaus wichtigere Dinge als den Wind Gedanken machen musste. Hartes kaltes Metall drückte sich gegen seinen Nacken. Dann folgte das unverkennbare Klicken des Hahns einer sehr großen Waffe, der gespannt wurde. Davor hatte es nicht das geringste Geräusch gegeben, nicht einmal eine n Schritt.
»Hände hoch«, sagte eine barsche Stimme. »Nicht umdrehen.«
Der Mann sprach mit einem Akzent.
Langsam hob Austin die Hände. »Mr. Donatelli?«
»Schweigen Sie«, sagte der Mann und verlieh seiner Anordnung mit einem festen Stoß ins Genick Nachdruck. Eine geübte Hand filzte Austin und zog ihm geschickt die Brieftasche aus der Jacke. Nachdem der Mann sich vergewissert hatte, dass Kurt keine Waffe trug, befahl er ihm, über eine Außentreppe auf den Balkon im ersten Stock hinaufzusteigen, der das Haus von drei Seiten umgab. Der Nebel hatte sich inzwischen mit aller Macht über sie gelegt, und im schwindenden Licht hätte Austin die Gestalt, die an dem Geländer lehnte, gar nicht bemerkt, wenn da nicht das orangefarbene Glimmen einer Zigarette und der Geruch nach starkem Tabak gewesen wären.
»Setzen«, sagte der Mann mit der Waffe. Austin tat, wie ihm geheißen, und ließ sich auf einen Liegestuhl sinken, dessen Bezug bereits feucht vom Nebel war. Der Mann hielt die Waffe weiterhin auf ihn gerichtet und redete auf Italienisch mit dem Raucher. Das Gespräch dauerte etwa eine Minute.
»Wer sind Sie?«, fragte die Gestalt im Nebel.
»Ich heiße Kurt Austin, und ich
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