Das Todeswrack
Careys Augen waren geschlossen. Ihr Nachthemd war blutdurchtränkt.
Der Arzt fühlte den Puls der Frau. »Sie hat das Bewusstsein verloren, aber sie ist noch am Leben. Womöglich hat sie innere Verletzungen.«
Carey bemerkte die tropfnassen Sachen und die leeren Hände.»Diese Jungs haben mich gefunden. Wir haben eine hydraulische Schere von einem der Rettungsschiffe benutzt. Ich schätze, Sie haben in der Garage nichts finden können, oder?«
Angelo schüttelte den Kopf.
»Mein Gott, Mann, Sie sind ja völlig durchnässt. Tut mir Leid, dass Sie das alles auf sich genommen haben.«
Angelo schüttelte den Kopf. »Keine Ursache.«
Der Doktor verabreichte der Frau eine Spritze in den Arm.
»Morphium gegen die Schmerzen«, erklärte er und versuchte, sich seine Besorgnis nicht anmerken zu lassen.
»Wir müssen sie so schnell wie möglich vom Schiff herunterbekommen.«
Sie wickelten die bewusstlose Frau in eine Decke und trugen sie nach oben auf die tiefliegende Seite des Promenadendecks.
Der Nebel hatte sich wie durch ein Wunder verflüchtigt, und das Schiff war von einer kleinen Flottille umgeben, deren grelle Scheinwerfer sich im Wasser spiegelten. Über all dem schwebten libellengleich Helikopter der Küstenwache. Eine stete Kette von Rettungsbooten schleppte sich zwischen dem angeschlagenen Liner und den anderen Schiffen hin und her.
Die meisten der Boote hielten auf ein riesiges Passagierschiff zu, auf dessen Bug die Worte
Ile de France
standen. Von Bord der
Ile
richteten sich Suchscheinwerfer auf die
Doria.
Der Befehl zum Verlassen des Schiffs war nie erteilt worden.
Nachdem die Passagiere zwei Stunden gewartet hatten, ergriffen sie einfach eigenmächtig die Initiative. Frauen, Kinder und ältere Leute wurden als Erste geholt. Es ging nur langsam voran, denn der einzige Weg von Bord führte über einige Taue und Netze.
Mrs. Carey wurde auf einer Trage festgezurrt, die man dann an einem Seil vorsichtig an der Flanke des Schiffs zu einem wartenden Rettungsboot hinabließ, wo hilfreich ausgestreckte Hände sie in Empfang nahme n.
Carey beugte sich über die Reling und sah zu, bis seine Frau sich in Sicherheit befand.
Dann drehte er sich zu Angelo um.
»Schaffen Sie besser Ihren Hintern von Bord, mein Freund.
Dieses Schiff wird sinken.«
Angelo schaute sich betrübt um. »Und zwar ziemlich bald, Mr. Carey. Aber vorher helfe ich noch ein paar anderen Passagieren.« Lächelnd fügte er hinzu: »Denken Sie daran, was ich Ihnen über meinen Namen erzählt habe.« Beim ersten Zusammentreffen hatte Angelo den Careys im Scherz erzählt, sein Name bedeute »Engel«, also jemand, der anderen zu Diensten sei.
»Ich erinnere mich.« Carey umschloss die Hand des Kellners.
»Danke. Das kann ich Ihnen niemals vergelten. Falls Sie je etwas brauchen, kommen Sie bitte zu mir. Verstanden?«
Angelo nickte. »
Grazie.
Ich verstehe. Bitte sagen Sie der
bella signora
von mir auf Wiedersehen.«
Carey nickte, kletterte über die Reling und rutschte an eine m Tau entlang zum Rettungsboot hinunter. Angelo winkte zum Abschied. Er hatte weder Carey noch sonst jemandem von dem schrecklichen Vorfall in der Garage erzählt. Dies war nicht der geeignete Zeitpunkt dafür. Vielleicht würde der richtige Zeitpunkt sogar
niemals
kommen. Niemand würde der absurden Geschichte eines einfachen Kellners Glauben schenken. Er dachte an ein sizilianisches Sprichwort:
Der Vogel, der im Baum singt, endet im Kochtopf.
Die Totenwache war beinahe vorüber.
Die letzten Überlebenden waren im rötlichen Licht der Dämmerung von Bord gebracht worden. Der Kapitän und eine Hilfsmannschaft blieben bis zur letzten Minute auf dem Schiff, damit niemand den Liner als Bergungsgut beanspruchen konnte.
Jetzt ließen auch sie sich an Seilen zu den Rettungsbooten hinab.
Als die warme Morgensonne in einen wolkenlosen Himmel emporstieg, nahm die Schlagseite des Schiffs sogar noch mehr zu. Um neun Uhr fünfzig morgens betrug die Neigung fünfundvierzig Grad nach steuerbord. Der Bug lag zum Teil unter Wasser.
Die
Stockholm
drehte in ungefähr drei Meilen Entfernung bei.
Ihr Bug war ein einziges Durcheinander aus verbogenem Metall.
Im öligen Wasser schwammen Trümmer. Zwei Zerstörer und vier Boote der Küstenwache standen als Geleitschiffe bereit.
Über ihnen zogen Flugzeuge und Hubschrauber ihre Kreise.
Das Ende kam gegen zehn Uhr. Elf Stunden nach der Kollision legte die
Doria
sich vollständig auf die rechte Seite.
Die leeren Rettungsboote, die
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