Das Todeswrack
Rolls-Royce interessiert, den ein reicher Amerikaner nach seinen Flitterwochen in Paris zurück nach Hause überführen ließ.
Angelo und sein Freund machten sich einen Spaß daraus, wechselweise so zu tun, als wären sie Chauffeur und Fahrgast des Rolls.
Soweit Angelo sich erinnerte, befanden sich derzeit neun Autos in der Garage.
Vielleicht würde er bei einem einen Wagenheber finden können. Nachdem er das Ausmaß des Steuerbordschadens gesehen hatte, war er diesbezüglich nicht mehr allzu hoffnungsvoll. Das andere Schiff hatte vermutlich die Garagenwand durchbrochen. Er hielt im Dämmerlicht inne, um wieder etwas zu Atem zu kommen und sich den Schweiß aus den Augen zu wischen. Was jetzt? Fliehen?
Mamma mia.
Und falls das Licht ausging? Er würde sich nie und nimmer zurechtfinden. Die Angst zerrte an seinen Beinen, wollte sie in Bewegung versetzen.
Halt.
Als er neulich in der Garage gewesen war, hatte sein Freund ihm noch ein anderes Fahrzeug gezeigt, einen großen gepanzerten Lastwagen, der in einer Ecke fern der Unfallseite stand. Die schimmernde schwarze Metallkarosserie hatte keinerlei Markierungen getragen. Als Angelo nachfragte, hatte sein Freund nur mit den Augen gerollt und die Achseln gezuckt.
Vielleicht Gold. Er wusste bloß, dass der Wagen rund um die Uhr bewacht wurde. Auch während ihres Gesprächs hatte Angelo einen Mann in einer dunkelgrauen Uniform gesehen, der sie nicht aus den Augen ließ, bis sie den Frachtraum verließen.
Das Deck unter seinen Füßen erzitterte. Das Schiff neigte sich um ungefähr einen weiteren Grad zur Seite. Angelos Angst verwandelte sich in äußerste Panik, und sein Herzschlag beschleunigte sich merklich.
Dann hörte die Bewegung des Schiffs auf, und Angelo beruhigte sich wieder ein wenig. Er fragte sich, wie lange es noch dauern würde, bis die
Doria
umschlug. Er warf einen Blick auf die Schwimmweste, die er die ganze Zeit bei sich getragen hatte, und lachte. Die Weste würde ihm kaum etwas nützen, falls das Schiff kenterte und mit ihm in den Tiefen seines Bauches sank. Fünf Minuten. Mehr Zeit gab er ihr nicht. Dann hieß es, so schnell wie irgend möglich aufs Oberdeck zu gelangen.
Er und Carey würden sich etwas einfallen lassen. Sie
mussten
einfach. Er fand den Eingang zur Garage, atmete tief ein, öffnete die Tür und trat hindurch.
Der ausgedehnte Raum lag in Dunkelheit, abgesehen von den trüben gelben Punkten der Notbeleuchtung an der hohen Decke.
Angelo schaute zur Steuerbordseite und sah die sich kräuselnden Lichtreflexe auf dem Boden. Wasser war in die Garage eingedrungen und brandete um seine Knöchel. Es strömte immer mehr Seewasser nach, und wenn die Garage auch momentan noch nicht vollgelaufen war, so blieben ihm bis dahin nur wenige Minuten. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren sämtliche Autos in der Schneise des eindringenden Bugs zerstört worden. Er hatte nicht viel Zeit. Entlang der Wand machte er sich in die entlegene Ecke des Raums auf. Im Schatten sah er die kastenförmigen Umrisse des Wagens sowie den schwachen Widerschein der Notlampen in dessen dunklen Scheiben. Sein Verstand warnte ihn, dass es lediglich eine gefährliche Zeitverschwendung sein würde, noch weiter vorzudringen.
Nichts wie raus aus dem Frachtraum und hoch aufs Oberdeck.
Pronto.
Bevor aus der Garage ein Aquarium wurde.
Dann sah er plötzlich Mrs. Carey vor sich, an der Wand festgenagelt wie ein Schmetterling. Der Lastwagen war ihre letzte Chance, vermutlich aber nicht einmal das.
Höchstwahrscheinlich war der Wagenheber im Innern eingeschlossen. Angelo kam zudem Ergebnis, mit leeren Händen wieder abziehen zu müssen, und blieb stehen, um noch einen letzten sehnsüchtigen Blick auf den Wagen zu werfen. Da stellte er fest, dass er sich nicht allein hier unten befand.
Neben dem Laster zerteilte ein bleistiftdünner Lichtstrahl die Finsternis. Dann noch einer.
Taschenlampen.
Dann wurden tragbare Strahler eingeschaltet und auf dem Boden abgestellt, so dass sie den Lastwagen in Helligkeit tauchten. Jetzt konnte Angelo Leute erkennen, die dort herumliefen. Es schien sich um mehrere Männer zu handeln, einige in grauen Uniformen, andere in schwarzen Straßenanzügen. Sie hatten die seitliche und die hintere Tür des Lasters geöffnet. Er konnte nicht sehen, was sie dort machten, aber sie schienen äußerst konzentriert vorzugehen. Er hatte ungefähr zwei Drittel des Wegs quer durch die Garage zurückgelegt und öffnete den Mund, um »Signori«
zu rufen. Er kam
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