Das Todeswrack
besaß. Da Fisel nicht tauchte, war er Nina in dieser Hinsicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, und das gefiel ihm überhaupt nicht.
Nina kam ohne Umschweife auf den Punkt. »Ich denke, es hat hier einen kleinen, aber wichtigen Hafen gegeben, und zwar einen phönizischen.«
»Mehr Tee, Kassim«, sagte Fisel. Der junge Mann eilte zur Kochstelle des Lagers.
Dann wandte sich Fisel an Knox, als wäre Nina gar nicht anwesend. »Ihre Assistentin verfügt über eine lebhafte Fantasie.
Sie haben sie natürlich davon in Kenntnis gesetzt, dass unsere Ausgrabungen an der Hauptstätte griechische und römische Artefakte zutage gefördert haben.« Er redete schnell und nervös und feuerte seine Sätze ab, als wären es Garben aus einem Maschinengewehr.
Bislang hatte sich Nina Fisel immer gefügt, aber jetzt konnte sie seine Grobheit nicht länger ertragen. »Zunächst einmal bin ich
nicht
Dr. Knox’ Assistentin, sondern seine
Kollegin«,
sagte sie mit eisiger Stimme. »Darüber hinaus habe ich keine Zweifel hinsichtlich der griechisch-römischen Einflüsse, aber das wesentliche Zentrum der Ereignisse befand sich im Wasser, nicht an Land. Und es war phönizisch.«
Nina klatschte den Block auf den Tisch und tippte auf die Zeichnung des
cothon.
»Nur die Phönizier haben künstliche Häfen wie diesen aus dem Festland herausgemeißelt. Ich schätze, diese Tonscherben werden meine Datierung unterstützen.«
Sie warf die Fragmente vor ihn hin, ohne Rücksicht darauf, dass sie sich mit
den
anderen Scherben vermischen könnten.
Bedächtig nahm Fisel eines der Stücke in die Hand und betrachtete es sorgfältig. Dann ein weiteres. Nach ein paar Minuten schaute er auf. Seine feuchten braunen Augen hinter den dicken Brillengläsern weiteten sich, aber er versuchte dennoch, sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen.
Er räusperte sich und sprach Knox an. »Sie werden
das hier
doch sicherlich nicht als definitiven Beweis für Dr. Kirovs Theorie akzeptieren, oder?«
»Natürlich
nicht, Dr. Fisel. Es gibt noch viel zu tun, und Dr. Kirov weiß das genauso gut wie wir beide. Aber Sie müssen zugeben, dass dies hier ein faszinierender Anfang ist.«
Fisel war der Ansicht, Knox’ offenkundige Begeisterung könnte einen Dämpfer vertragen. Seine vorgeblich finstere Miene verwandelte sich in ein strahlendes Lächeln. »Ich kann leider gar nichts zugeben, solange keine eindeutigen Beweise vorliegen.«
Kassim kehrte mit einem Glas heißen Tee zurück. Fisel nickte und nahm sein Vergrößerungsglas. Die Audienz beim Cousin des Königs war beendet.
Nina kochte vor Wut, als sie und Knox sich von Fisels Zelt entfernten. »Unverschämter kleiner Bastard! Er weiß verdammt gut, dass ich Recht habe.«
Knox gluckste belustigt. »Ich vermute, dass Fisel voll und ganz mit Ihrer Meinung übereinstimmt und umgehend darüber Bericht erstatten wird.«
Sie packte den Professor am Arm und schaute ihm ins staubige Gesicht. »Das verstehe ich nicht. Warum dann dieses Getue?«
»Oh, das ist doch ganz klar. Er will den Ruhm für die Entdeckung Ihres phönizischen Hafens einstreichen.«
»Stimmt!«
Sie fuhr herum und wollte zurück zu Fisels Zelt.»Wenn er glaubt, er kommt damit durch …«
»Immer mit der Ruhe, meine Liebe. Ich habe Ihnen versprochen, dass alle Unterwasserfunde Ihnen angerechnet würden, und das habe ich auch so gemeint. Denken Sie daran, wir haben alle Trümpfe in der Hand. Sie sind die einzige Person bei dieser Expedition, die weiß, wie man taucht.«
»Er kann andere Taucher anfordern.«
»Ja, das kann er. Mag er auch noch so klein, dick, kahlköpfig und kurzsichtig sein, Fisel hat mit seinem Ministerium für Altertümer einiges in die Waagschale zu werfen, übertragen und im wörtlichen Sinn. Er kann sich alle Hilfsmittel besorgen, die er braucht. In der Zwischenzeit möchte ich, dass Sie Ihre Skizzen vervollständigen, die Funde klassifizieren und Ihre Forschungen mit wissenschaftlichen Methoden fortsetzen.«
Sie war noch immer nicht überzeugt. »Was ist, falls er versucht, mich vom Tauchen abzuhalten?«
»Dies ist eine Gemeinschaftsexpedition. Ich habe hier ebensoviel zu sagen wie er. Er kann nur das tun, was ihm genehmigt wird. Das wird Tage dauern. Falls Sie glauben,
unser
Verwaltungsapparat wäre furchtbar, dann sollten Sie sich daran erinnern, dass Marokko unter starkem Einfluss der Franzosen steht, und die haben immerhin das Wort
Bürokratie
erfunden.
Ich werde ein bisschen seinem Ego schmeicheln, aber von Ihnen
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