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Das Todeswrack

Das Todeswrack

Titel: Das Todeswrack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
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»Verdammt raffiniert«, murmelte er schließlich. Dann fragte er sie, ob er die Idee für ein Kranprojekt nutzen dürfe, an dem er seit einiger Zeit arbeitete.
    Seit Gizeh hatte es noch einige vergleichbare Vorkommnisse gegeben. Sie konnte diese Sache nicht willentlich ein- oder ausschalten. Falls sie bei jeder Berührung eines Artefakts ein Ferngespräch aus der Vergangenheit erhalten würde, wäre sie schon längst im Irrenhaus gelandet. Sie musste sich von etwas
angezogen
fühlen, wie Eisen von einem Magneten. Bei einer kleineren Ausgabe des Kolosseums, gelegen in einer kaiserlichen Residenz außerhalb Roms, waren die Eindrücke von Schmerz und Entsetzen dermaßen stark, der von Blut getränkte Boden, die abgetrennten Gliedmaßen und die Schreie der Sterbenden so intensiv, dass sie sich übergeben musste. Eine Zeit lang war sie der Überzeugung, sie habe den Verstand verloren.
    Nächtelang bekam sie kein Auge zu. Vielleicht konnte sie die Römer
deswegen
nicht ausstehen.
    Dies hier war kein römisches Amphitheater, stellte sie nüchtern fest. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, schwamm sie zur Kante des Kais, legte ihre Hände flach auf die bearbeiteten Steine und schloss die Augen. Sie konnte die Hafenarbeiter vor sich sehen, wie sie Amphoren voller Wein oder Öl schleppten, und sie hörte das Klatschen von Segeln gegen hölzerne Masten, aber all das entsprang lediglich ihrer eigenen Fantasie. Erleichtert atmete sie auf. Das geschah ihr ganz recht. Eine kleine Strafe für den Versuch, die wissenschaftlichen Verfahren einfach abkürzen zu wollen.
    Nina machte ein paar Fotos. Sie bedauerte lediglich, dass sie kein Schiffswrack gefunden hatte. Dann sammelte sie noch einige Tonscherben ein, fand einen halb versunkenen Steinanker und schoss gerade die letzten Bilder, als sie die rundlichen Beulen auf dem sandigen Grund bemerkte.
    Sie schwamm hinüber und wischte den Sand beiseite. Die Erhebung war Teil eines größeren Objekts. Fasziniert ließ sie sich auf die Knie nieder und legte nach und nach eine große steinerne Nase frei, die zu einem riesigen gemeißelten Gesicht gehörte, das vom stumpfen Kinn bis zum Scheitel ungefähr zweieinhalb Meter maß. Die Nase war flach und breit, ebenso wie der Mund mit seinen fleischigen Lippen.
    Auf dem Kopf saß eine Kappe oder ein eng anliegender Helm.
    Das Gesicht schaute auffallend finster drein. Nina hörte auf zu graben und fuhr mit den Fingern über den schwarzen Stein.
    Die dicken Lippen schienen gerade etwas zu sagen.
    Berühre mich. Ich habe dir viel zu erzählen.
    Nina wich zurück und starrte das unbewegte Gesicht an. Die Miene sah noch genauso aus wie vorher. Sie lauschte auf die Stimme.
Berühre mich.
Leiser jetzt, beinahe unhörbar in dem metallischen Brodeln ihres Atems, der durch den Lungenautomaten entwich.
    Mädchen, du warst schon viel zu lange unter Wasser.
    Sie betätigte das Ventil an ihrer Tarierweste. Luft strömte in die Kammern. Mit immer noch klopfendem Herzen stieg sie langsam wieder in ihre eigene Welt empor.
2.
    Der dunkelhäutige, stämmige Mann sah, wie Nina sich dem Kreis aus Zelten näherte, und lief ihr mit ausgestreckter Hand entgegen. »Darf ich Ihnen helfen, Ihre Tasche zu tragen, Dr. Kirov?«, fragte Raul Gonzales mit ausgeprägtem spanischen Akzent.
    »Nicht nötig…« Nina war daran gewöhnt, ihre Ausrüstung umherzuschleppen. Genau genommen war es ihr sogar lieber, alles stets selbst unter Kontrolle zu haben.
    »Ach, das macht doch gar keine Umstände«, sagte er galant und setzte sein strahlendstes Lächeln auf. Nina war zu müde für Diskussionen, und außerdem wollte sie seine Gefühle nicht verletzen, also reichte sie ihm ihr Gepäck. Er nahm die schwere Tasche, als wäre sie federleicht.
    »Hatten Sie einen erfolgreichen Tag?«, fragte er.
    Nina wischte sich den Schweiß aus den Augen und trank einen kräftigen Schluck aus einer warmen Flasche Gatorade, Geschmacksrichtung Limone. Sie war kein zerstreuter Professor. In ihrem Forschungsgebiet konnte eine Holzperle oder ein Knopf eine bedeutende Entdeckung darstellen, und so war sie wie jeder Archäologe darauf trainiert, auch auf die winzigsten Kleinigkeiten zu achten. Aus Gonzales wurde sie nicht schlau. Vieles an ihm war ihr aufgefallen, vor allem wenn er sich unbeobachtet glaubte. Sie hatte ihn dabei erwischt, wie er sie eingehend musterte, und zwar ohne jenes breite Grinsen und mit eiskaltem Blick unter den wulstigen Brauen. Nina war eine attraktive Frau und zog oftmals

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