Das Todeswrack
die Blicke der Männer auf sich.
Aber das hier erinnerte sie eher an einen Löwen, der eine Gazelle fixierte. Und dann war da noch die Tatsache, dass er immer
da
zu sein schien und ihr über die Schulter schaute. Und nicht nur ihr. Er schien sich an jeden der Expeditionsteilnehmer heranzuschleichen.
Ninas Entdeckerfreude war stärker als ihre Vorsicht. »Ja«, sagte sie. »Der Tag war sogar
äußerst
erfolgreich.«
»Bei einer so erfahrenen Wissenschaftlerin hätte ich auch nichts anderes erwartet. Ich freue mich schon darauf, mehr darüber zu hören.« Er trug die Tasche zu ihrem Zelt und stellte sie davor ab. Dann schlenderte er weiter durch das Lager, als wäre er ein Generalinspekteur, der seine Truppen inspizierte.
Gonzales behauptete, nach erfolgreichen Immobiliengeschäften in Südkalifornien habe er sich früh zur Ruhe gesetzt und würde jetzt nur noch seiner lebenslangen Amateurbegeisterung für die Archäologie frönen. Er schien Mitte vierzig oder Anfang fünfzig zu sein, und er war ein ganzes Stück kleiner als Nina. Seinemassige, kräftige Statur ähnelte der eines Hufschmieds, und sein mit Gel geglättetes Haar schimmerte wie eine schwarze Bowlingkugel. Er war über Time-Quest zu dieser Expedition gestoßen, eine Organisation, die zahlungskräftige Freiwillige an archäologische Ausgrabungen vermittelte. Jeder, der über einige tausend Dollar verfügte, konnte eine Woche lang mit einer Kinderschaufel aus Plastik Dreck in ein Sieb löffeln. Einen Sonnenbrand dritten Grades gab es gratis dazu.
Einschließlich ihrer selbst und Dr. Knox bestand die Gruppe aus zehn Personen.
Gonzales, natürlich, sowie Mr. und Mrs. Bonneil, ein älteres amerikanisches Ehepaar aus Iowa, das über eine ähnliche Organisation vermittelt worden war. Zu Ninas Leidwesen gehörte auch der unausstehliche Dr. Fisel vom marokkanischen Ministerium für Altertümer dazu, von dem es hieß, er sei ein Cousin des Königs.
Vervollständigt wurde die Liste durch Fisels jungen Assistenten Kassim, einen Koch und zwei Berberfahrer, die zudem bei den Ausgrabungen halfen.
Die Teilnehmer hatten sich aus verschiedenen Teilen der Welt in Tariaya zusammengefunden, einem Ölhafen an der Südküste.
Die marokkanische Regierung veranlasste, dass sie von einer Ölfirma drei neunsitzige Renault-Großraumlimousinen mieten konnten, um Leute und Ausrüstung zu transportieren.
Auf staubigen, aber zweckdienlichen Straßen hatten sich die Fahrzeuge dann mehrere hundert Meilen die Küste entlang gearbeitet. Auch heutzutage war ein Großteil des Landes öde und unbewohnt, abgesehen von vereinzelten kleinen Berbersiedlungen. Das Gebiet war weitgehend unerforscht geblieben, bis Mobil und einige andere Firmen begonnen hatten, vor der Küste nach Ölvorkommen zu bohren.
Das Camp lag hinter den Dünen am Rand einer eintönigen Ebene. Der ausgedörrte Boden war mit stachligen Feigenkakteen gesprenkelt, und in der Ferne erhob sich ein Hochplateau. Ein paar armselige Olivenbäume rangen der trockenen Erde genug Feuchtigkeit ab, um sich die klägliche Existenz zu erhalten. Der Schatten, den sie spendeten, besaß eher symbolische Bedeutung. Ganz in der Nähe befanden sich einige Mauerreste und umgestürzte Säulen. Hier wurden die Landausgrabungen durchgeführt.
Nina ging zu einer der bunten Nylonkuppeln, die man im Kreis auf dem flachen sandigen Boden aufgeschlagen hatte. Sie wusch sich das Salz aus dem Gesicht und zog frische Shorts und ein sauberes T-Shirt an. Dann nahm sie ihren Skizzenblock, setzte sich vor dem Zelt auf einen Klappstuhl und fertigte im Licht er Nachmittagssonne Zeichnungen von ihren Funden an.
Sie hatte bereits mehrere Seiten gefüllt, als die Leute von der Ausgrabungsstätte zurückkehrten.
Dr. Knox’ Khakishorts und -hemd waren weiß verklebt und von einer Staubkruste überzogen. Beim Kriechen über den harten Untergrund hatte er sich die Knie wund gescheuert. Seine Nase war krebsrot, und die Haut begann sich zu schälen. Der Unterschied zu den heiligen Hallen der Wissenschaft war bemerkenswert. In der Universität war Knox stets untadelig gekleidet. Aber draußen im Gelände
stürzte
er sich im wahrsten Sinne des Wortes in die Arbeit wie ein Kind in den Sandkasten.
Mit seine m Tropenhelm, den weiten Shorts und den Epauletten auf seinen schmalen Schultern sah er aus, als wäre er den Seiten einer alten Ausgabe von
National Geographic
entstiegen.
»Was für ein Tag«, stieß er wütend hervor und nahm den Helm ab. »Ich glaube
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