Das Todeswrack
streitlustig vorragendes Kinn.
Austin nickte Gunn und Yaeger grüßend zu. Sein Blick schweifte über die anderen Männer wie ein Stein, der über das Wasser hüpfte, und blieb schließlich an der Frau haften, die am Kopfende des Tisches saß.
Sie hatte ihr blondes Haar geflochten und hochgesteckt, was ihre rauchgrauen Augen und die hohen Wangenknochen betonte. Austin ging zu ihr und streckte die Hand aus.
»Dr. Kirov, was für eine angenehme Überraschung«, sagte er aufrichtig erfreut. »Wie schön, Sie zu sehen.«
Nina trug ein Jackett mit passendem Rock, dessen sanfter Grünton ihre honiggoldene Haut zur Geltung brachte. Im Stillen dachte Austin, welche Idioten Männer doch waren. Bei ihrem ersten Zusammentreffen hatte Nina als leicht bekleidete Meerjungfrau wunderschön ausgesehen. Jetzt, vollständig angezogen, die verborgenen Kurven und Rundungen durch eng anliegende Seide betont, wirkte sie absolut atemberaubend.
Ihr Mund öffnete sich zu einem anmutigen Lächeln. »Ich freue mich auch, Sie zu sehen, Mr. Austin. Wie geht es Ihnen?«
»Inzwischen ganz wundervoll«, erwiderte er. Die Förmlichkeit der höflichen Floskeln konnte nicht über die stille Intensität hinwegtäuschen. Der Händedruck dauerte ein paar Sekunden länger als eigentlich erforderlich, bis Sandecker den Zauber des Augenblicks mit einem übertrieben lauten Räuspern durchbrach.
Austin wandte sich um und sah die verwirrten Mienen seiner NUMA-Kollegen. Er wurde rot. Es war ihm klar, dass er wie ein naiver Schuljunge reagierte, der von seinen Mädchen verachtenden Kumpels überrascht worden war.
Sandecker stellte die Anwesenden einander vor. Der ältere Mann war J. Prescott Danvers, geschäftsführender Direktor einer Organisation namens World Archaelogical Council. Der andere Unbekannte war Jack Quinn von der East Asia Foundation. Sandecker sah auf die Uhr. »Jetzt, da wir die Formalitäten hinter uns gebracht haben, sollten wir zum Wesentlichen kommen. Hiram?«
Während Yaeger auf der Tastatur eines Macintosh Powerbook herumtippte, setzte sich Austin auf den Platz neben Trout.
Trouts äußere Erscheinung war wie immer makellos. Sein hellbraunes Haar war nach Mode des Jazz-Zeitalters in der Mitte gescheitelt und an den Schläfen nach hinten gekämmt. Er trug einen gelbbraunen Popelinanzug, ein blaues Oxfordhemd und eine dieser großen, bunten Fliegen, die er so gern hatte.
Außerdem bevorzugte Trout Arbeitsstiefel, was ein wenig im Gegensatz zu seiner Vorliebe für elegante Kleidung stand.
Manche hielten diese Verschrobenheit für eine Reminiszenz an seinen Vater, der Fischer gewesen war.
In Wirklichkeit hatte er sich diese Angewohnheit in der Oceanographic Institution von Woods Hole zugelegt, wo solche Stiefel von vielen der Wissenschaftler getragen wurden.
Die Fischgründe von Trouts Vater lagen vor Cape Cod, und so brachte Trout einen großen Teil seiner Jugend in diesem weltberühmten Institut zu. Die Wissenschaftler waren nur allzu gern bereit, einem Jungen, der so viel Begeisterung für den Ozean zeigte, mit Freundlichkeit zu begegnen, und boten ihm Wochenend- und Ferienjobs an. Später führte ihn seine Liebe zum Meer an die gleichermaßen berühmte Scripps Institution of Oceanography, wo er seinen Abschluss in Tiefseegeologie machte.
»Ich dachte, du wärst mit Gamay unten in Yukatan«, sagte Austin. Man sah Trout nur selten ohne seine Frau. Sie hatten sich am Scripps kennen gelernt, wo Gamay ihren Doktor in Meeresbiologie machte. Nach der Graduierung hatten sie geheiratet. Rudi Gunn, ein alter Freund aus Highschooltagen, überredete Paul, als Mitglied eines besonderen Teams an Bord zu kommen, das zu jener Zeit von Admiral Sandecker zusammengestellt wurde. Paul willigte ein, wenngleich nur unter der Bedingung, dass seine Frau ihn begleiten würde. Sandecker war hoch erfreut, gleich zwei erstklassige Leute zu bekommen, und ging bereitwillig auf die Forderung ein.
Trout schien stets tief in Gedanken versunken zu sein. Er hatte es zur Gewohnheit werden lassen, mit gesenktem Kopf zu sprechen, und obwohl er Kontaktlinsen trug, schaute er immer leicht nach oben, als würde er über den Rand einer Brille spähen.
»Sie hatte wochenlang versucht, einen Termin bei irgendeinem hohen Tier vom National Anthropological Museum in Mexiko City zu bekommen«, sagte Trout im näselnden, gedehnten Tonfall seiner Heimat. »Der Typ konnte den Termin nicht mehr verlegen, also bin ich stellvertretend für uns beide hier.«
Sandecker hatte
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