Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
zu meiner Verfolgung ansetzten. »Ich finde es nur gerecht«, antwortete ich mit einiger Verspätung.
    »Gerecht?« Pri ächzte.
    Ich nickte. »Sicher. Er hat meine Katze entführt, dafür entführe ich jetzt seine Tochter.«
    Pri sprach während der ganzen Rückfahrt kein Wort mehr mit mir.

    Der Portier des Hotel Corona staunte nicht schlecht, als ich eine halbe Stunde später die Empfangshalle durchquerte im Sturmschritt, einen unwillig maunzenden Riesenkater unter den linken Arm geklemmt und eine in einer Mischung aus Englisch, Niederländisch und einem halben Dutzend weiterer Sprachen protestierenden Pri mit der anderen Hand haltend.
    Aber ihre Gegenwehr hielt sich in Grenzen. Sie hätte sich losreißen können, wenn sie es wirklich gewollt hätte, und sie hätte auch auf der Fahrt hierher ein gutes halbes Dutzend Gelegenheiten gehabt, mir zu entkommen, wäre es ihr ernst damit gewesen; ganz zu schweigen von der Möglichkeit, einfach lauthals »Hilfe! Ich werde entführt!« oder etwas ähnliches zu schreien. Warum sie es nicht tat, verstand ich selbst nicht so richtig.
    Ich machte mir allerdings auch nicht die Mühe, darüber nachzudenken.
    Statt dessen stieß ich sie ziemlich grob in den Aufzug, bedachte den Liftboy mit einem Blick, der ihn jeden Gedanken an eine eventuelle Einmischung auf der Stelle vergessen ließ, und schlug mit der Faust auf den Knopf für die dritte Etage. Pri fuhr fort, mich mit einer Flut von Flüchen zu überschütten, die einen arabischen Derwisch vor Neid hätten erblassen lassen, trat aber dann vollkommen freiwillig aus dem Aufzug heraus, kaum daß wir angekommen waren, und leistete auch keinerlei Widerstand, als ich sie in mein Zimmer schob.
    Aufatmend schloß ich die Tür hinter mir, drehte den Schlüssel im Schloß um und ließ Merlin zu Boden. Der Kater maunzte erleichtert und begann wie ein Hund das Zimmer zu beschnüffeln.
    »Und jetzt?« fragte Pri herausfordernd. »Was haben Sie jetzt vor, Sie Verbrecher? Mich fesseln und knebeln und ein Lösegeld für meine Freilassung verlangen?«
    Ihr Spott prallte an mir ab, zumal in genau diesem Moment das Telefon klingelte. Ich hob ab, darauf gefaßt, einen verärgerten Portier zu hören, der mir mitteilte, daß so etwas nun wirklich nicht ginge. Aber es war nicht der Portier.
    »Damit kommen Sie nicht durch, Craven!« brüllte DeVries aufgebracht. »Ich kriege Sie! Ich schwöre Ihnen, daß …«
    Ich hängte ein. Zehn Sekunden später schrillte das Telefon erneut, und DeVries fuhr schreiend fort: » … ich Sie bis ans Ende der Welt jagen werde, wenn es sein muß, und …«
    Ich hängte abermals ein, wartete, bis das Telefon nach zehn Sekunden abermals klingelte, und knallte den Hörer so wuchtig auf die Gabel, daß der KunstStoffapparat einen Sprung bekam.
    Danach klingelte es nicht mehr.
    Pri funkelte mich wütend an. »Das war mein Vater, nicht?«
    Ich nickte. »Offenbar weiß er ziemlich genau über jede Bewegung Bescheid, die ich mache«, sagte ich. »Pech für Sie.«
    »Wieso für mich?« fragte Pri verwirrt.
    »Weil ich Sie so lange festhalten werde, bis ich sicher bin«, antwortete ich. »Was haben Sie gedacht?«
    Pri schwieg einen Moment. Als sie antwortete, klang ihre Stimme nicht mehr zornig, sondern mühsam beherrscht.
    Offenbar versuchte sie, eine neue Taktik einzuschlagen und an meine Vernunft zu appellieren.
    »Ihnen ist doch klar, daß mein Vater die Polizei rufen könnte, Robert«, sagte sie. »Entführung ist ein schweres Verbrechen, auch in den Niederlanden.«
    »Er könnte schon«, antwortete ich. »Aber ich bin sicher, daß er es nicht tut.«
    »Und warum?«
    »Weil er dann erklären müßte, warum er dreimal versucht hat, mich umzubringen viermal, wenn ich den Überfall seiner Schläger gerade in der Villa mitrechne.«
    Pris Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Offensichtlich verstand sie wirklich nicht, wovon ich redete. »Mein Vater und Sie umbringen?« wiederholte sie ungläubig. Sie versuchte zu lachen. »Sie sind ja irre. Mein Vater ist vielleicht … seltsam.
    Aber er ist der harmloseste Mensch, den ich kenne.«
    »Dann haben Sie entweder einen verdammt kleinen Bekanntenkreis, oder Sie kennen Ihren eigenen Vater nicht sehr gut«, antwortete ich ruppig. Ich war nicht in der Laune für schonende Vorbereitungen. »Ihr Vater ist …« Ich brach ab, machte eine wegwerfende Handbewegung und drehte mich mit einem Ruck zum Telefon um, um Dreistmeer anzurufen. Der Apparat gab keinen Muckser mehr von sich. Ich hatte

Weitere Kostenlose Bücher