Das Tor nach Andoran (German Edition)
wandte sich Kisho von den Bildern ab, die ihm sein fliegender Spion präsentierte, und fasste zusammen, was er bis jetzt wusste.
Das Einhorn war zurückgekehrt aber es hatte die Gestalt eines Menschen, eines jungen Mädchens angenommen. In seinem Alter, das wusste Kisho, konnte ein Einhorn unmöglich die Verwandlung alleine vollzogen haben, dafür fehlte die magische Stärke und Erfahrung. Jemand musste ihm geholfen haben, aber wer? Sollte er den Troll unterschätzt haben, oder steckte Mandelao hinter der Verwandlung?
Der Magier der Mydaren dürfte eigentlich nicht mehr am Leben sein. Nach dem Ehrenkodex der Mydaren hätte er sich nach seinem Versagen das Leben nehmen müssen. Der Verlust des Rubins stieß ihn praktisch aus der Gemeinschaft aus, denn er war schuld am Untergang seines Volkes.
Kisho befiel eine innere Unruhe, die seine Füße in Bewegung setzte und ihn ruhelos im Saal umherwandern ließ. Er wusste nicht, wie lange er umhergewandert war, aber schließlich ließ sich Kisho erschöpft in den mächtigen Sessel aus Eisenholz sinken, und starrte mit einem in die Ferne gerichteten Blick auf einen imaginären Punkt in den Regalen seiner Artefaktsammlung.
Er hatte herausgefunden, wo sich das Einhorn aufhielt. Er wusste, dass es die Gestalt eines jungen Mädchens angenommen hatte, aber er wusste nicht, was das Einhorn nun beabsichtigte. Wollte er warten, bis die Wurrler das Einhorn aufspürten und es zu ihm brachten? So viel Zeit stand ihm nicht zur Verfügung, denn mit jedem Tag, den das Einhorn frei herumlief, verzögerten sich seine Pläne.
Entschlossen stemmte sich Kisho aus dem Sessel und trat vor die Wand mit den Artefakten. Er wusste nun, was zu tun war und unverzüglich machte er sich an die Vorbereitungen. Die Wand mit den Artefakten verblasste, nachdem er die Worte aus dem Buch sprach und die geheime Grotte wurde sichtbar.
Hier standen zu Hunderten aufgereiht die kleinen Wurrler mit ihren schrecklichen Begleitern, den monsterhaften Hunden, die er vergangene Nacht aus dem Schattenreich hierher befahl, um ihm zu Diensten zu sein. Kisho schritt die Reihen der Wurrler ab, die aufgereiht und leblos dastanden und darauf warteten von ihm geweckt zu werden, um seine Befehle auszuführen. Kisho schätzte die Zahl der willigen Kreaturen auf rund zweitausend, die er nach dem Einhorn suchen lassen konnte.
Er erhob seine Stimme zu dem hohen singenden Ton, der die leblosen Gestalten zum Leben erwachen ließ. Leises Scharren, welches die Hunde mit ihren Krallen auf dem felsigen Untergrund verursachten und das Knarren von Leder auf Leder erfüllte die Halle als Kisho die Wesen der Schattenwelt aus ihrem Bann befreite. Sofort breitete sich der unerträgliche Gestank ihrer Ausdünstungen aus und machte ihm das Atmen schwer.
»Kinder des Schattenreichs, ich befehle euch nach dem Einhorn zu suchen, und es mir zu bringen.« Kisho unterbrach seine Rede. Er vollführte mit den Armen eine bogenförmige Bewegung, worauf über seinem Kopf eine von Nebelschwaden gefüllte Blase entstand, die sich rasch vergrößerte.
»Dieses Wesen ist eure Beute, die ihr jagen und aufspüren sollt.«
Der milchige Nebel lichtete sich und das Bildnis eines Mädchens mit weißem Haar und einem roten Mal auf der Stirn füllte die Blase aus.
»Prägt euch das Gesicht des Mädchens gut ein. Am Mal auf der Stirne werdet ihr das Einhorn erkennen. Jeder der versucht das Einhorn zu schützen ist des Todes und ihr könnt ihn an eure Hunde verfüttern. Das Einhorn aber bringt mir lebend.«
Wie von unsichtbaren Fäden gezogen wandten sich die Augen der Wurrler der Blase zu und ein dröhnendes Raunen der Bestätigung erfüllte die Grotte. Kisho wusste, dass die kollektive Wahrnehmung der Kreaturen das Bild des Einhorns tief in ihrem Inneren verankert hatte und sie nicht eher ruhten, bis sie mit dem Objekt seiner Begierde in der Festung auftauchen würden.
Die Erscheinung über Kishos Kopf erlosch und es öffnete sich ein breiter Stollen, der aus der Festung führte. Der Widerhall tausender Stiefel wurde von den Wänden der Grotte zurückgeworfen, als die kleinen Gestalten sich dem Stollen zuwandten und die Grotte verließen. Als der letzte der Kreaturen die Felsenhalle verlassen hatte, schloss Kisho mit wenigen gemurmelten Worten den geheimen Gang, dann zog er sich zu seinen Artefakten zurück, wo er sich zufrieden in seinen Sessel fallen ließ.
Nach einer Handbewegung erschien wieder das Wandregal mit seinen Schätzen, auf denen sein
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