Das Tor nach Andoran (German Edition)
Riana hatte ihre anfängliche Angst vor ihr verloren. Gandulf dagegen wartete angespannt auf die Rückkehr des Trolls und ließ den Eingang zum Palast keine Sekunde aus den Augen.
Es verging noch einige Zeit, bis Granak zwischen den umgestürzten Säulen erschien und ihnen zurief. »Wir haben das Vorratslager gefunden und so wie es aussieht, besteht keinerlei Gefahr. Ich konnte jedenfalls mit meinen Sinnen kein Anzeichen für eine Bedrohung erkennen. Kommt herein, es wird euch gefallen.«
In der großen von vier Säulenreihen getragenen Halle hielten sich die Schäden in Grenzen. Nur eine der Säulen am Eingang wies größere Zerstörungen auf. Jedoch auf den Sitzreihen, die sich zwischen den Säulen befanden und auf dem schwarzen Marmor des Fußbodens lagen Skelette, die in feine kostbare Gewänder gehüllt waren. Nirgends sah Julian die Spuren eines Brandes oder die von Ruß und er fragte sich, ob Granaks Theorie von einem Drachen stimmte.
Dem Eingang gegenüber, am anderen Ende der Halle, stand auf einem zweistufigen Sockel ein prächtiger goldener Thron. Auf ihm saß zusammengesunken der skelettierte Körper des Zwergenkönigs, dem seine Krone über die Stirn gerutscht war. Aus hohlen Augen starrte er Julian an, als dieser schaudernd an ihm vorüberging und Granak folgte. Vor dem Thron bog Granak nach rechts ab und führte sie durch ein verwirrendes Labyrinth von Gängen, bis er schließlich vor einem schmiedeeisernen Tor anhielt. »Hier sind die königlichen Lagerräume, wie mir Thurgrom erklärt hat. Kommt lasst uns nachsehen, ob wir noch etwas Genießbares finden. Nach meinen Berechnungen wurden vor ungefähr achtzig Jahren diese Räume zum letzten Mal betreten,« machte Granak den anderen klar. Theatralisch gab er dem Tor einen leichten Schubs, woraufhin es ohne das leiseste Geräusch aufschwang.
»Wo ist der Zwerg,« fragte Gandulf, nachdem er den schier grenzenlosen Raum einige Zeit begutachtet hatte. Granak machte ein treuherziges Gesicht, als er antwortete. »Thurgrom befindet sich im oberen Stockwerk, in dem das Archiv untergebracht ist, und forscht nach den Umständen, die zu alledem geführt haben. Er meinte wir würden auch ohne ihn zurechtkommen.«
Granak vollführte eine einladende Handbewegung und folgte ihnen in den Lagerraum, wo sich in lange Reihen Fässer Säcke und Kisten stapelten. Granak eilte zu einer Fassreihe und unterzog sie einer eingehenden Prüfung. Ratlos begutachtete er die fremden Schriftzeichen, mit denen die Fässer gekennzeichnet waren, und fragte Gandulf. »Verstehst du, was auf den Fässern geschrieben steht?«
Gandulf kam zu dem Troll und besah sich die Schriftzeichen. »Sehe ich etwa aus wie ein Zwerg, aber das haben wir gleich.« Er zog sein Kurzschwert und schlug mit dem Knauf den Fassboden ein. Süßlicher Duft entströmte dem Fass, was Granak dazu veranlasste, schnuppernd seine Nase über das Fass zu halten.
»Das riecht wie Met,« verkündete er mit glänzenden Augen und steckte einen Finger hinein. Vorsichtig benetzte er seine Zunge mit dem nassen Finger und seufzte genussvoll. »Das ist Met, mein Lieblingsgetränk, dem ich nicht widerstehen kann. Gibt es hier irgendwo einen Becher.«
Granak sah sich nach einem geeigneten Behältnis um, mit dem er den Honigwein schöpfen konnte, während Julian die langen Reihen der Säulen abschritt.
»Seht euch mal die Säulen genauer an.«
Julian deutete auf Säulen an denen Steintafeln mit den unterschiedlichsten bildlichen Darstellungen befestigt waren. Neben der Säulenreihe mit den Fässern, auf denen man die Abbildung von Bienen sah, hing eine Tafel, die einen Pilz darstellte. In dieser Reihe stapelten sich Kisten übereinander. Gleich daneben lagerten Säcke und Julian entfernte die Verschnürung eines Sackes und griff mit einer Hand hinein.
»Jedenfalls müssen wir nicht hungern,« stellte er beruhigt fest und kam mit einer Handvoll Bohnen zu Gandulf. Der sah auf die Bohnen in Julians Hand, griff sich eine davon und begutachtete sie.
»Trocken und noch brauchbar, was wohl in den anderen Reihen ist,« fragte Gandulf und machte sich mit Julian daran die Reihen der Säulen abzugehen. Gandulf nahm eine der Kisten und entfernte den Deckel, wobei er sein Schwert als Hebel benutzte. Überrascht rief er aus.
»Sieht aus wie getrocknetes Fleisch.« Er nahm einen Streifen heraus und hielt ihn sich unter die Nase. »Scheint nicht verdorben zu sein«, vermutete er, »aber vorsichtshalber lassen wir zuerst deinen Hund davon
Weitere Kostenlose Bücher