Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
sogleich wieder fortnehmen.
»Knightlys Herr heiratet in Kürze«, begann Richard zu erzählen. »Darum reiten wir morgen bei Tagesanbruch nach London. Der Falke« – er deutete voller Stolz auf das edle Tier auf der Reck – »ist unser Hochzeitsgeschenk für den Earl.«
»Mein Herr ist einer der wichtigsten Barone des Landes«, fügte Knightly mit vollem Mund hinzu, kaute und schluckte. »Ein wertvolles Geschenk und großzügige Gaben für die Armen werden von einem Ritter von Stand ebenso erwartet wie neue Kleider und bunt geschmückte, edle Pferde zum Zeichen seiner Wertschätzung für Braut und Bräutigam. Aufsehen aber erregt man mit besonderen Waffen. Deshalb werden wir mit unseren neuen Schwertern nicht wie die arme Verwandtschaft auftreten. Klingen mit dem kupfernen Zeichen zu besitzen macht uns beinahe ebenbürtig«, behauptete Knightly voller Stolz. »Und weil wir gerade davon sprechen – wo ist mein Schwert überhaupt? Kann ich es sehen?« Er blickte sich suchend um.
Richard erhob sich und eilte in eine Ecke, in der er die Waffen abgestellt hatte. »Fürwahr, Bruder, ich verspreche dir, du wirst nicht enttäuscht sein. Sieh nur, wie vortrefflich unsere Aufträge ausgeführt wurden!«
Knightly, der inzwischen ebenfalls aufgestanden war, schob sich rasch noch ein Stück Fleisch in den Mund und ging dann zur Herdstelle hinüber, um erst das Schwert seines Bruders und dann sein eigenes im Feuerschein zu betrachten. Er beäugte es aufmerksam und war sichtlich beeindruckt, als er es aus der Scheide zog. Er wog es bedächtig, maß die Klinge mit einem zugekniffenen Auge, prüfte den Schwerpunkt und schnitt mit der Klinge durch die Luft, dass es nur so surrte. »Großartige Arbeit, Onkel Henry, wahrlich prächtig!«, lobte er den Schmied. »Das kupferne Zeichen ist dank Athanor nicht nur im ganzen Reich, sondern auch darüber hinaus hochberühmt.« Er lächelte, doch seine Augen blieben merkwürdig traurig. »Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als mir der Maréchal sein Schwert zeigte. Ich war noch ein Knabe und nannte es in meiner Aufregung Athonor, statt Athanor. Herrje, war mir das unangenehm, als er mich freundlich, aber bestimmt, jedoch ohne Tadel berichtigte! Im Erdboden hätte ich damals versinken können vor Scham.« Knightly hielt wehmütig lächelnd inne, dann seufzte er. »Seit der Maréchal nicht mehr lebt, trägt mein Herr das Schwert, und ich weiß, wie stolz er darauf ist.« Knightly starrte einen Augenblick lang ins Nichts. »Der Maréchal war der größte Ritter aller Zeiten und schon mein Vorbild, als ich noch ein Knabe war«, fuhr er leise fort, und mit einem Mal schien es Catlin, als sei nicht nur in seinen Augen plötzlich ein feuchter Glanz zu sehen. Auch Richard wirkte gerührt und räusperte sich. »In der dunklen Stunde seines Todes stand ich an seiner Bettstatt«, murmelte Knightly, schluckte trocken und beugte sich zu Catlin hinab. »Deine Großmutter hat Athanor geschmiedet, und weil sie den Maréchal von ganzem Herzen geliebt hat, ist es das beste Schwert von allen«, raunte er seiner Base ins Ohr.
Catlin errötete, obwohl sie von der großen, ungewöhnlichen Liebe zwischen ihrer Großmutter und dem berühmten Ritter wusste. Richard hatte ihr bei seinem Besuch im vergangenen Jahr alles ganz genau erklärt. Mit einem Stöckchen hatte er ihr zur Veranschaulichung sogar ein Bild in den Staub des Hofes gemalt. Einen Kreis für jede Frau und ein Viereck für jeden Mann.
Zuerst war ein Kreis für ihre Großmutter gekommen, gleich daneben, auf der linken Seite, ein Viereck für den Maréchal. Darunter ein Viereck für ihren gemeinsamen Sohn, William den Falkner, der mit Marguerite de Hauville, einer Bastardtochter König Johns, vermählt war und zwei Söhne und eine Tochter mit ihr zeugte: Richard und Henry – genannt Knightly – sowie Alix, Catlins Base, die gut zwei Jahre älter war als sie. »Der Maréchal und König John sind unsere Großväter«, hatte Richard ihr voller Stolz erklärt und Catlin damit sehr beeindruckt, denn obschon sie die gleiche Großmutter hatte wie er, so waren ihre Großväter doch nur einfache Schmiede gewesen, keine Ritter oder Könige.
Auf der rechten Seite neben den Kreis der Großmutter hatte Richard ein Viereck für Isaac gemalt und darunter eines für ihren gemeinsamen Sohn Henry, Catlins Vater. Während ihre Großmutter mit Isaac verheiratet gewesen war, hatte der Maréchal Isabelle de Clare, eine irische Prinzessin, zur Frau genommen
Weitere Kostenlose Bücher