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Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)

Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
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rosigen Wangen waren fahl und eingefallen, sein Mund ein wenig geöffnet, so als sei der Schmied erstaunt, nun vor seinen Schöpfer treten zu müssen. Catlin fühlte, wie ein übermächtiges Schluchzen in ihr aufstieg, als wolle ihr Körper alle Tränen, allen Kummer aus ihr herausschütteln.
    Elfreda war unfähig, von der Seite ihres toten Gemahles zu weichen. Wie sehr Catlin es in diesem Augenblick auch gebraucht hätte, von ihr getröstet zu werden, so wie früher, wenn sie traurig gewesen war oder ein aufgeschlagenes Knie gehabt hatte, Elfreda brachte es nicht fertig, sie in die Arme zu nehmen. Darum erhob sich Catlin, stellte sich hinter die Trauernde und legte ihr die Hände auf die Schultern. Elfreda aber schob sie fort und schüttelte unwillig den Kopf. Catlins Rücken versteifte sich. Elfreda war nicht die Einzige, die traurig und verzweifelt war, schließlich war der Mann dort auf dem Lager nicht nur ihr Gemahl, sondern auch Catlins Vater. Wenngleich der Schmied und seine Tochter sich nicht immer einig gewesen waren, so bedeutete es für Catlin doch ungeheuer viel, dass er stolz auf sie gewesen war. Tränen schossen ihr in die Augen, und das Schlucken schmerzte. Dann aber fielen ihr Alans Worte ein. Sie spürte, wie ihr Rücken wieder biegsam wurde. Ihr Vater habe sie geliebt, hatte er gesagt, und ihr verziehen, dass sie fortgegangen war, um ihren Traum vom Glockengießen zu leben. Vermutlich hatte der Vater sie sogar besser verstanden als gedacht. Und Elfreda? War sie nicht immer für Catlin da gewesen? Hatte sie ihr nicht die Mutter so gut ersetzt, dass Catlin diese nie gefehlt hatte? Auch für den Schmied hatte sie immer gut gesorgt. Viele Jahre lang hatte sie gewartet und gehofft, dass er ihr eines Tages einen Antrag machen würde. Vermutlich hatte sie die Hoffnung bereits aufgegeben, als der Überfall auf die Schmiede die beiden doch noch zusammengeführt hatte. Elfreda hatte jedes Recht zu trauern, denn in dieser dunklen Stunde hatte sie ihren Geliebten verloren, den Mann, der ihr alles bedeutet hatte und mit dem sie hatte alt werden wollen. Catlin nickte ihr verständnisvoll zu und ließ die Stiefmutter allein am Lager des Toten zurück. Sie hatte ein Anrecht darauf, ungestört Abschied von ihrem toten Liebsten zu nehmen.
    Es dämmerte bereits, als Catlin den Hof betrat. Die Luft war kühl und feucht, und im Westen schien der Horizont in Flammen getaucht. Das helle Gelborange und das satte Rosa verliefen mit dem duftigen Blau des Himmels zu immer kräftiger werdendem Violett. Die Schönheit dieser Farben und die Traurigkeit des Augenblickes schienen einander zu widersprechen. Tränen liefen Catlin über die Wangen, als Alan aus der Schmiede trat. Auch ohne zu fragen, begriff er, was geschehen war. Die Art, wie er sie ansah – mit einer Mischung aus Angst und Wissen, Mitleid und Trauer, Freundschaft, vielleicht gar Liebe –, traf Catlin bis ins Mark und tröstete sie zugleich. Wortlos trat er auf sie zu, schloss sie in die Arme und hielt sie so fest, dass sie sich wünschte, er möge sie nie wieder loslassen.

    Der feine Nieselregen, der seit dem Morgengrauen ohne Unterlass fiel, setzte winzige Tropfen wie Perlen auf die Wollumhänge, das Haar und die Gesichter der Trauernden. In wenigen Wochen wäre alles mit wunderschönem weißem Reif überzogen. Die Luft war kühl und der Winter nicht mehr fern. Alan schauderte. Geburt und Tod gehörten zum Leben wie Frühling und Winter zum Jahr, dennoch war es immer wieder schwer, einen geliebten Menschen gehen zu lassen. Vielen half der Glaube. Das Vertrauen in den Allmächtigen und die Hoffnung, die Ewigkeit an seiner Seite im Paradies zu verbringen und all jene wiederzusehen, die man im Lauf der Zeit verloren hatte. Ob Catlins Mutter im Himmelreich auf Henry wartete? Alans Blick ruhte auf Elfreda. Sie war dem Schmied nie von der Seite gewichen, hatte seine Tochter aufgezogen und sein Haus versorgt. Nun stand sie gramgebeugt vor dem Grab, einem schwarzen Loch, das im Boden klaffte und den Leichnam ihres Gemahles aufgenommen hatte. Der Rücken der sonst so aufrechten Frau war rund wie ein Altweiberbuckel. Wie konnte sie über Nacht nur so gealtert sein? Aus der fröhlichen, fleißigen Meisterin war eine gebrochene, verzagte Frau geworden. Ihr Kummer rührte Alan, denn auch er war traurig, dass der Meister für immer fortgegangen war. Als er gespürt hatte, dass es mit ihm zu Ende ging, hatten Henrys Gedanken vor allem Elfredas Zukunft gegolten, doch Alan

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