Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet!
Friedrich Schiller, Das Lied von der Glocke
London, Ende April 1231
D en Meister möchte ich sprechen«, bat ein bärtiger Mann in Flints Alter, als Catlin auf ein kräftiges Klopfen hin die Tür öffnete. Seiner Kleidung nach war er ein Handwerker, kein Priester oder Mönch, also wohl kaum ein Kunde, eher ein Saufkumpan von Flint.
»Noch ist Flint nicht der Meister«, antwortete sie gereizt. »Und er ist auch nicht da. Im Roten Ochsen wird er sein oder in der Lachenden Gans .«
»Flint?«, sagte der Mann überrascht, als sie ihm die Tür vor der Nase zuschlagen wollte. »Ich dachte, die Gießerei gehört Meister John.« Er klang enttäuscht.
Catlin riss die Tür wieder auf. »Du willst zu John?«
Das Gesicht des Fremden hellte sich auf. »Ja, Meisterin. Ich habe einst mit ihm Glocken gegossen. Ich hörte, dass er eine Werkstatt hier in London besitzt, und machte mich sogleich auf den Weg, um ihn nach Arbeit zu fragen.« Sein Augenaufschlag hatte etwas Vertrauenerweckendes.
»Mein Gemahl, der Herr sei seiner Seele gnädig, ist vor wenigen Monaten von uns gegangen.« Catlin bekreuzigte sich, und der Fremde tat es ihr nach. »Bitte, tritt näher und erzähl mir von früher!«
»Meister John ist tot? Nein, welch ein Unglück!« Er schüttelte den Kopf, nahm Catlins Hand und hielt sie mit beiden Händen fest, als wären sie alte Bekannte. Er sah ihr tief in die Augen und rang nach Atem. »Ich liebte ihn wie einen Vater und war so glücklich bei dem Gedanken, ihn endlich wiederzusehen. Ich bin untröstlich.«
»Du kanntest ihn gut?« Ein Funke Hoffnung glomm in Catlins Augen auf. Vielleicht wusste der Fremde mehr über John, über das Schicksal seines Sohnes oder wohin er so oft verschwunden war. So viele Fragen waren noch offen.
»Ich verbrachte acht Jahre bei ihm. Der Meister war kein Mann großer Worte, aber ja, ich kannte ihn gut.«
Catlin nickte lächelnd und zog den Besucher in die Küche. »Setz dich!«, bat sie und goss ihm frisches Bier ein, ohne zu fragen. Dann setzte sie sich mit an den Tisch, füllte auch sich selbst einen irdenen Becher und erhob ihn auf John.
»Auf den Meister!«, rief der Fremde und stieß mit ihr an, dann stellte er sich vor. »Ich heiße Randal. Mein Vater gab mich bei Meister John in die Lehre, als ich noch ein Knabe war. Doch als er starb, musste ich heimkehren, um die Familie zu ernähren. Er war nur ein Töpfer, und so fertigte ich viele Jahre lang nichts als Krüge, Becher und irdene Töpfe an, doch mein Herz gehört den Glocken, so wie John sie gegossen hat.«
»Du suchst Arbeit?«, fragte Catlin und dankte dem Herrn in einem stillen Gebet, dass er ihr einen alten Freund ihres toten Gemahles geschickt hatte.
»Ja, ich bin auf der Suche nach einer Anstellung, Meisterin. Ich bin geschickt und fleißig und will nichts mehr, als wieder Glocken gießen.«
»Ich könnte durchaus noch einen Mann in der Werkstatt gebrauchen. Doch zuerst will ich sehen, was du taugst.« Sie musste ihn prüfen, aber wie? Bisher war das stets Johns Aufgabe gewesen. Catlin überlegte. Das Gehör war ihr wichtig, also würde sie das zuerst auf die Probe stellen. »Warte einen Augenblick!« Sie eilte in die Werkstatt, holte das Glockenspiel und stellte es auf den Tisch.
»Erlaubt Ihr?«, fragte Randal.
Catlin zog die Stirn kraus und nickte.
Randal schlug die Glocken ein gutes Dutzend Mal in einer ganz bestimmten Folge an. Ein kleines Lied, das John oft für Aedwyna gespielt hatte. Catlin lief eine Träne über die Wange.
»Du kanntest ihn wirklich«, sagte sie leise.
»Ja.«
»Hast du Familie?« Catlin fürchtete Flints rasende Eifersucht, falls sie den Fremden ohne seine Zustimmung einzustellen wagte.
»Ja, Meisterin, ich habe Weib und Kinder, zwei, bald drei, so Gott will.« Er bekreuzigte sich rasch.
Catlin lächelte. »Gut«, sagte sie zufrieden, »das ist sehr gut.« Eine weitere Prüfung schien ihr nicht nötig. »Komm nächste Woche wieder, gleich am Montag. Ich heirate am Sonntag, darum wird die Arbeit in der Werkstatt bis dahin ruhen.« Sie errötete unwillkürlich.
»Meinen Glückwunsch, Meisterin«, sagte Randal mit rauer Stimme.
Nachdem Randal die Werkstatt verlassen hatte, konnte er sich kaum darüber freuen, schon bald in der Gießerei zu arbeiten. Da heiratete dieser Habenichts bereits so kurz nach dem Tod des Meisters dessen Witwe, und Randal hatte es so rasch nicht kommen sehen! Flint war nun also kein
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