Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
haben, aber auch erleichtert, dass Nigel sein vergrabenes Vermögen vermutlich hatte retten können, schlenderte sie durch die Straßen und beschloss, sich nach einer Schlafstatt in einer der vielen Kirchen umzuhören.
Am nächsten Tag bei Sonnenaufgang brach sie auf und ließ das rege Treiben von Norwich hinter sich. Nachdem sie einen guten halben Tag gen Norden geritten war und zweimal kurz Rast eingelegt hatte, erreichte sie am frühen Nachmittag die Priorei.
Ohne zu wissen, was sie genau herauszufinden hoffte, stellte sie sich mit wenigen Worten als Glockengießerin vor und bat, den Prior sprechen zu dürfen. Es dauerte eine Weile, dann schlurfte ein Mönch herbei und führte sie in einen eindrucksvollen Raum mit bunten Fresken an den Wänden und einem stattlichen Kreuzgewölbe, das von acht mächtigen Säulen getragen wurde.
Ob der Prior genauso unangenehm war wie der Abt, bei dem Nigel und sie vor Jahren für Corvinus vorgesprochen hatten? Catlins Hände wurden feucht. Damals hatte der Freund sie begleitet, diesmal war sie allein. Sie blickte sich zaghaft um. Die Bilder stellten Szenen aus der Bibel dar. Sie erkannte die Darstellungen der Verkündigung, der Geburt Jesu, des Abendmahles, des Verrates durch Judas, der Dornenkrönung, der Kreuzigung und Auferstehung. Ob der Prior sie mit Absicht hier warten ließ?
»Prior de Parco!«, verkündete ein dicklicher Mönch, dann rauschte ein hochgewachsener, schlanker Mann in schwarzer Kutte aus feinster Wolle herein. Er war einen Kopf größer als Catlin, strahlte etwas Hochmütiges, zutiefst von sich Überzeugtes aus und war dennoch von ansprechendem Äußeren mit seinen hellgrauen Augen und der schmalen Nase, die auf eine noble Herkunft hinwiesen.
»Die Glockengießerin.« Er nickte, als Catlin sich anschickte, einen Knicks zu machen.
»Ehrwürdiger Vater.« Sie senkte züchtig den Blick. Der Prior legte ihr kurz die Hand auf den Scheitel, dann erhob sie sich.
»Willst du dem Kloster deine Dienste anbieten, oder führt dich ein anderer Grund zu mir, mein Kind?«
»Ich … nein, ich habe eine Frage, Ehrwürdiger Vater. Ihr kennt meinen … aber …«, stammelte Catlin und blickte den Prior verzweifelt an. Sein Gesicht war glatt geschabt, die Haut straff und fein.
»Du bist Johns Weib, nicht wahr?« Ein überhebliches Lächeln umspielte seinen Mund, als sie verwirrt nickte. »Wie geht es ihm?« Er stellte die Frage mit gleichgültiger Stimme, wandte sich an den Schreiber neben ihm und raunte ihm etwas zu, das nichts mit John zu tun hatte.
»Er ist tot!«, entfuhr es Catlin mit einem vorwurfsvollen Unterton, als sei der Prior schuld daran. »Erschlagen auf dem Weg zum Erzbischof von Canterbury. Für eine Handvoll Münzen, die er im Beutel trug.«
»Der Herr sei mit ihm.« Der Prior bekreuzigte sich flüchtig und küsste das hölzerne Kreuz, das er an einem Lederband um den Hals trug, dann sah er Catlin mit unbewegter Miene an. Kein Mitleid sprach aus seinem Blick. »Ich nehme an, du bist wegen seines Sohnes hier.« Er hob erwartungsvoll die Brauen.
Catlin hielt vor Überraschung den Atem an. War seine Annahme bereits die Antwort auf all ihre Fragen? Catlin stand nur steif da, unfähig, etwas zu erwidern.
»Es ist an der Zeit, den Jungen mitzunehmen, nun, da sein Vater tot ist und nicht mehr für Kost und Unterbringung zahlen kann … Dass er noch Geld für vier Monate schuldet, weißt du?«
»Nein, ich …«
»Nun, ich bin kein Unmensch, darum will ich dir die Summe erlassen. John war ein guter Vater«, sagte er so beiläufig, dass Catlin zornig wurde. Ja, John war ein guter Vater gewesen. Für Aedwyna und für seinen Sohn ebenfalls. Wenn er Eadric bei Euch untergebracht hat, dann weil er Angst um ihn hatte und glaubte, hier sei er in Sicherheit, hätte sie am liebsten erwidert, doch sie schwieg nur betreten. Der Prior schien kein Mann zu sein, der einer einfachen Frau Rede und Antwort stand.
»Eadric ist ein kräftiger junger Mann. Er wird schon zurechtkommen.« Der Prior sah auf sie herab. »Ich gebe Anweisung, dass man ihn holt.« Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um und verließ den Raum.
Catlin wartete mit gesenktem Kopf und einem Gefühl tiefster Ratlosigkeit.
Ein alter Mönch mit zerfurchtem Gesicht, geführt von einem jungen Mann, betrat den Raum mit schlurfenden Schritten.
»Catlin?«, fragte der Alte. Aus seinen funkelnden Augen sprachen Menschenliebe und Freundlichkeit.
»Ja?« Sie sah erwartungsvoll auf.
Er nickte und lächelte.
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