Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
Hals. Voller Verzweiflung dachte sie an frühere Zeiten. Was hatte sie falsch gemacht, dass Flint sich von ihr abgewandt hatte? Einige Wochen lang hielt sie durch, dann fragte sie ihn.
»Sieh dich doch nur an!« In Flints Blick standen Hohn und Abscheu. »Du trinkst nicht, schwingst die Hüften nicht im Tanz – wie soll ich da Lust auf dich bekommen?« Er zog die Nase hoch. »Immer nur die Glocken, nichts anderes zählt für dich. Und dann dieses Gejammer, dass die Kinder Nahrung und Kleidung brauchen. Als ob du nicht selbst für sie sorgen könntest. Mach dich doch auf den Weg nach Saint Edmundsbury und nach Orford und fordere ein, was dir zusteht. Warum soll ich mich einschränken und das Leben nicht genießen, nur damit die Männer, die in deinen Schmieden arbeiten, keine Pacht zahlen müssen?«
»Wenn du wenigstens nicht länger anderen Frauen nachstellen würdest! So etwas spricht sich herum.« Catlin war außer sich und erhob die Stimme. »Ein Glockengießer hat ein Beispiel an Tugend zu sein, und in der Kirche warst du schon seit Wochen nicht mehr. Wie sollen wir da neue Aufträge bekommen?«
»Du bist nur eifersüchtig, weil mir die Weiber nachlaufen!«, höhnte er. »Du willst deinen Gemahl für dich? Dann hör auf zu lamentieren, geh in die Kammer und mach die Beine breit!« Flint lachte, als Catlin errötete. »Zwei Kinder hast du geboren und treibst es doch noch immer am liebsten im Dunklen.«
»Flint!« Catlin war entsetzt. »Das reicht!«
»O nein, das reicht mir schon lange nicht mehr! Mir nicht.« Er riss sie an sich und zwang ihr einen Kuss auf. »Du hast mir zu Willen zu sein. Glaubst du etwa, es ist mir entgangen, dass du mir den Rücken zukehrst, sobald ich mich dir nähere, oder dass du aufstehst, um zu arbeiten, wenn ich ins Bett gehe?« Sein Gesicht war ganz dicht vor ihr. »Ich will. Jetzt und hier.«
»Nein!« Catlin riss die Augen auf, als er sie packte, ihren Oberkörper auf den Tisch drückte und ihr eine Hand unter die Röcke schob. Corvinus oder Randal konnten jederzeit in die Küche kommen. »Bitte, Flint, nicht!«
Catlin hatte sich noch nie so schmutzig gefühlt. Flint hatte gegrunzt wie ein Schwein, bevor er von ihr abgelassen und sie von sich gestoßen hatte. »Und komm ja nicht auf den Gedanken, mir ein weiteres Kind anzuhängen!«, hatte er geknurrt, ihr einen Tritt in den Unterleib verpasst und aus eisigen blauen Augen auf sie herabgesehen. Dann war er gegangen. Vor Schreck und Ekel, Trauer und Verzweiflung hatte sie nicht einmal weinen können. Ihr Herz fühlte sich tot an, verdorrt und vertrocknet wie die rippigen Herbstblätter, die sich im Winter zwischen den Fingern zerreiben ließen. Was war aus dem zärtlichen, leidenschaftlichen Mann mit den wunderschönen blauen Augen geworden, den sie einst so geliebt hatte?
»Ich hasse ihn«, hatte Corvinus ihr zugeraunt, als Flint ihr ein blaues Auge geschlagen hatte. »Ich habe ihm nie getraut, und ich hatte recht.«
»Was nutzt mir das, sag?«, hatte sie ihm entgegnet. »Ich war blind vor Liebe, doch wer konnte ahnen, dass er sich so verändert?«
»Er wollte von Anfang an nur den Meister verdrängen, und das ist ihm bestens gelungen.«
»Nein, Corvinus! Niemand kann John ersetzen.«
»Das ist wohl richtig, aber der Meister ist Flint zumindest nicht mehr im Weg. Ein willkommener Glücksfall, dieser tödliche Überfall, nicht wahr?«
»Willst du etwa andeuten, dass Flint etwas damit zu tun hatte?«
»Vielleicht.« Corvinus hatte die Schultern gehoben.
»Das ist Unsinn, blanker Unsinn!«, hatte Catlin erwidert. »Flint war hier, er kann nichts damit zu tun haben.«
Der Same aber war gesät, und Corvinus’ Argwohn schien immer berechtigter, je länger Catlin darüber nachdachte. Und je häufiger sie grübelte, desto öfter wünschte sie sich einen Vertrauten an ihrer Seite. Keinen Jungen wie Corvinus, der noch zu wenig Lebenserfahrung besaß, um ihr raten zu können, keinen Luftikus wie Nigel und keine Frohnatur wie Mabel, sondern einen Fels. Jemanden, der ihr Halt gab. Einen zuverlässigen Menschen wie Alan, dem sie sich ganz und gar anvertrauen konnte, ohne Angst, verurteilt zu werden, ohne Furcht, sich lächerlich zu machen. An Alan zu denken wärmte ihr Herz, schenkte ihr Zufriedenheit und Zuversicht, aber auch Wehmut, wusste sie doch, dass sie ihn abgelehnt hatte, ohne ihn zu kennen. Obwohl sie weder bereute, John geheiratet zu haben, noch, mit Flint zwei wunderbare Kinder gezeugt zu haben, bedauerte sie sehr
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