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Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)

Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
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»John hielt große Stücke auf dich. Der Herr sei seiner barmherzigen Seele gnädig.« Er bekreuzigte sich und murmelte etwas Unverständliches. Tränen standen ihm in den Augen. Der junge Mann, der ihn stützte, stieß einen kehligen Laut aus, machte ein Handzeichen und verbeugte sich vor Catlin, so gut ihm das mit dem Alten am Arm gelang.
    Catlin betrachtete ihn mit offenem Mund. Er musste in ihrem Alter sein, vielleicht etwas älter, war in etwa so groß wie John, aber von schmalerer Statur, mit einem fein gezeichneten Gesicht und dem gleichen vollen Haar wie sein Vater, nur dass es noch nicht grau war.
    »Er soll seiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten sein«, erklärte der Mönch. »Aber ich sehe auch Ähnlichkeiten mit John.« Er wandte sich an den jungen Mann. »Das ist die Frau deines Vaters«, sagte er und machte einige Zeichen mit den Händen.
    Johns Sohn nickte, krächzte etwas und antwortete mit einer lebhaften Geste, die Catlin nicht zu deuten wusste.
    »Ihr sprecht mit ihm, ehrwürdiger Bruder? Ich dachte, er sei taub.«
    »Gewiss ist er das, mein Kind. Darum hat es auch keinen Sinn, ihn anzuschreien. Es sind die Handzeichen, die er versteht, und manche Worte liest er von den Lippen ab.« Der Blick, den er seinem Schützling zuwarf, war voller Zärtlichkeit und Fürsorge. Sogar ein wenig Stolz glaubte Catlin darin zu erkennen. »Dass der Junge das Gehör verlor, war ein schwerer Schicksalsschlag für John. Wie jeder Vater hätte er seinen Sohn nur allzu gern in seinem Handwerk unterrichtet.« Die Hand des alten Mannes zitterte. »Mein lieber Bruder im Glauben, unser früherer Prior, brachte Eadric zu uns. In dem Dorf, aus dem wir beide stammen, lebten viele Menschen, die nicht zu hören vermochten, darum lernten wir schon früh, uns durch Zeichen mit ihnen zu verständigen …« Er lächelte versonnen. »Als Novizen nutzten wir das so manches Mal, um das Sprechverbot zu umgehen.« Dann schien er sich darauf zu besinnen, warum sie einander gegenüberstanden. »John war voller Zweifel, ob er das Richtige tat, und die Summe für die Unterbringung des Jungen war erklecklich. Ein großes Opfer, bedenkt man, dass aus Eadric niemals ein Mönch werden kann. Da er Gottes Wort nicht hören kann, verbieten ihm die Regeln eines jeden Ordens, die Gelübde abzulegen.« Er schüttelte bedauernd den Kopf und schien den Sinn dieser Regel nicht zu erfassen. »Solange unser alter Prior noch lebte, hatte Eadric seinen Platz in unserer Gemeinschaft, doch unter Prior de Parco hat sich vieles verändert …« Er legte Catlin eine knotige Hand auf den Arm. »Glaub mir, mein Kind, Eadric ist keine Last.« Er sah Catlin so flehentlich an, dass sie unwillkürlich nickte. Statt Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, ergaben sich nur weitere Fragen. Hätte John gewollt, dass sie seinen Sohn mit nach London nahm? Hatte er ihr deshalb von ihm erzählt? Warum aber hatte er dann nicht auf ihre Frage nach Eadrics Verbleib geantwortet? Ob John seinem Sohn von ihr erzählt hatte? Wie viel vermochte der junge Mann überhaupt zu verstehen?
    »Ist er nur taub oder auch einfältig?«, wollte sie wissen.
    »Nur taub, mein Kind, nur taub! Könnte er hören, wäre er Glockengießer oder Mönch geworden und hätte seinen Vater stolz gemacht. Er stellt kluge Fragen, ist höflich und ein angenehmer Mensch. Du wirst ihn mögen, das versichere ich dir.«
    Catlin konnte sich nicht vorstellen, wie ein Stummer kluge Fragen stellen konnte, darum runzelte sie die Stirn.
    »Er kann lesen und kennt die Bibel besser als so mancher meiner Mitbrüder, aber er weiß nichts vom Leben und den Gefahren einer großen Stadt, von den Leuten und ihrer Falschheit.« Plötzlich wirkte der alte Mönch sehr müde.
    »Er kann die Bibel lesen?«, fragte Catlin verblüfft und warf einen weiteren neugierigen Blick auf Eadric, der sie freundlich anlächelte. Auch John war des Lesens mächtig gewesen und hatte ihr das Nötigste beigebracht, damit sie die Inschriften auf den Glocken anbringen konnte. Doch mehr als einige Worte waren ihr nicht vertraut.
    Eadric gab erneut einen Laut von sich, und seine Hände bewegten sich in rascher Folge.
    »Er fragt nach seinem Vater«, erklärte der alte Mönch mit gepresster Stimme. »Ich habe es selbst erst soeben erfahren und hatte noch keine Gelegenheit, es ihm mitzuteilen.« Er wandte sich zu dem jungen Mann um, strich ihm über die Wange und gab ihm mit Zeichen und wenigen deutlich gesprochenen Worten zu verstehen, dass sein

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