Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
schlechter Mensch, und sie hatte es nicht erkannt. Er trieb sich in Tavernen herum, spielte, soff und hurte, kehrte heim und legte sich ohne Reue zu ihr ins Bett. Wenn er ihr beiwohnen wollte, versuchte er halbherzig, sie zu verführen. Bat sie ihn, von ihr abzulassen, dann nahm er sie mit Gewalt und verhöhnte sie noch obendrein. Abends allein in ihrer Kammer weinte sie sich in den Schlaf, aus dem sie hochschreckte, wenn Flint betrunken in die Kammer torkelte. Dann kniff sie voller Angst die Augen zu und hoffte, er möge sie nicht belästigen, nachdem sie scheinbar bereits eingeschlafen war. Manchmal gelang es ihr, ihn zu täuschen.
Als Randal an diesem schönen Oktobertag nach Hause ging, schien ihm die Welt besonders bunt. Die Kleider draußen an den Läden leuchteten in den hellsten Farben, der Himmel strahlte in herrlichstem Blau mit der gelben Sonnenscheibe um die Wette. Beherzten Schrittes wanderte er die Straße entlang, genoss die laue Luft, blieb kurz stehen, um einem Dudelsackspieler zu lauschen, der von einem Trommler begleitet wurde und die Schaulustigen in Scharen anzog. Die Meisterin war mit ihrem ersten Auftrag heimgekehrt. Sie würde kaum einen Verdienst daran haben, und wenn Flint so weitermachte, war sie bald am Ende. Randal rieb sich die Hände. Sein Ziel rückte unaufhaltsam näher, und er wollte alles Erdenkliche tun, damit die Gießerei so bald wie möglich in Schwierigkeiten geriet. Ein zufriedenes Grinsen überzog sein Gesicht. Er stand noch eine Weile bei den Musikanten, tappte mit dem Fuß den Rhythmus mit und erfreute sich seines Lebens. Dann riss er sich los, kaufte zwei Laibe Brot und etwas trockenen Fisch, damit Merilda eine nahrhafte Abendmahlzeit auftischen konnte, und machte sich auf den Heimweg.
»Ich bin wieder da!«, rief er, als er die Tür öffnete, und erwartete, dass seine Kinder sich mit lautem Gejohle auf ihn stürzten. Als er die bedrückende Stille und die leeren Blicke wahrnahm, die ihn empfingen, erstarrte er. Langsam betrat er den kleinen Raum, in dem er mit Merilda und den Kindern lebte, als könne sein Zögern etwas ändern. Er sah Merilda auf dem Boden liegen, dort, wo sie des Nachts das Stroh zusammenschoben, damit sie es weich und warm hatten. Neben ihr hockten zwei Nachbarinnen, zu ihren Füßen stand der Priester, und die Kinder kauerten verschüchtert in einer Ecke, dicht aneinandergedrängt, leise schluchzend.
»Randal!« Eine der beiden Frauen kam auf ihn zu. Bedauern und Bestürzung standen ihr ins Gesicht geschrieben, ihre Augen waren rot geweint, der rechte Ärmel ihres Kleides wies nasse Flecken auf. Sie rieb sich damit erneut über das Gesicht. »Wir konnten nichts tun.« Sie wandte sich um und blickte auf die leblose Merilda hinunter, die auf dem Rücken lag, bleich und wächsern, die Haare strähnig, die Hände auf der Brust gefaltet.
»Die Wehen kamen, kaum dass du fort zur Arbeit gegangen warst«, sagte die andere Nachbarin – acht Kinder hatte sie geboren und vier davon verloren. Sie selbst aber hatte überlebt. »Das Kind ist tot zur Welt gekommen, und Merilda ist mit ihm gegangen.« Sie bekreuzigte sich.
»Ave Maria, gratia plena
Dominus tecum
Benedicta tu in mulieribus
Et benedictus fructus ventris tui.
Amen«,
murmelte sie. Die Nachbarin und der Priester schlossen sich ihrem Gebet an. Nur Randal blieb stumm.
»Merilda sorgt nun im Himmelreich für deine Tochter«, sagte der Priester.
Unvermittelt hob Randal den Kopf. »Eine Tochter?« Tränen strömten ihm über die Wangen. »Sie hat gewusst, dass es ein Mädchen wird«, flüsterte er. Zwei Söhne hatte Merilda ihm geboren, darum hatte er sich umso mehr auf ein Mädchen gefreut. Nun aber hatte er beide verloren, Weib und Tochter.
»Wenn du erlaubst, nehmen wir deine Kinder heute Nacht mit zu uns. Dann hast du Zeit allein mit deinem Weib.«
Randal blieb jedes Wort im Hals stecken. Er nickte nur und rang nach Atem, doch seine Brust war wie zugeschnürt. »Merilda!«, stieß er endlich hervor, fiel auf die Knie, kroch zu ihr. Merildas Kleider waren mit Blut besudelt. Randal küsste ihren Mund, als könne er sie auf diese Weise wieder zum Leben erwecken. Randals Blick fiel auf ein Bündel an ihrer Seite. Ob sein Kind, seine kleine Tochter, in das Leinen eingewickelt war? Randals Schultern bebten, als er schluchzend das Schicksal seines Weibes beklagte.
Die Kinder weinten laut, als sie den Kummer des Vaters sahen, doch Randal war außerstande, ihnen beizustehen. Sein Leid war so
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