Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
neben dem Arbeitsplatz des Meisters, an dem nun Catlin die Glockenrippen fertigte, und rückte näher. »Und mir ist etwas eingefallen.« Er rutschte voller Unruhe auf dem Sitz hin und her. »Als ich noch klein war, im Kloster, habe ich oft lange allein warten müssen und mich gelangweilt. In der Kirche haben die Mönche gesungen, und ich habe mitgesummt. Dabei habe ich die Finger auf den Hals gelegt und die Töne gefühlt. Damit sollten wir anfangen.« Er griff nach Catlins Hand. »Lass sie ganz locker, ohne Druck!« Dann führte er ihren Zeige- und ihren Mittelfinger an seine Kehle und summte. »Schließ die Augen, und richte deine Aufmerksamkeit auf die Hand, nicht auf die Ohren!«, bat er, ganz Feuer und Flamme, und summte eine Melodie.
Die tiefen Töne fühlten sich anders an als die hohen, stärker, brummend und kraftvoll, obwohl die Lautstärke die gleiche war. Catlin sprang auf und fiel Corvinus um den Hals. »Ich wusste, dass es gelingen würde, nur nicht, wie! Ich danke dir für diesen wunderbaren Einfall!« Sie küsste ihn laut schmatzend auf die Wange.
Corvinus errötete vor Verlegenheit, fing sich jedoch rasch wieder. »Zuerst müssen wir allerdings noch mehr von Eadrics Zeichen lernen, damit wir uns mit ihm verständigen können«, gab er zu bedenken.
»Einige hat er mir schon beigebracht«, erklärte Catlin. »Aber er kann mehr, als ich mir in den wenigen Tagen merken konnte. Viel mehr!«
»Das Glockenspiel könnte uns ebenfalls helfen!«, rief Corvinus voller Begeisterung.
Catlin nickte und lachte glücklich. Sie wusste, dass aus Corvinus einmal ein guter Glockengießer werden würde. Sein Ohr war zwar nicht so fein wie das ihre, doch sein Eifer war ebenso groß wie seine Liebe zum Handwerk.
»Und auf einen Kirchturm steigen wir auch mit ihm. Dann spürt er die Töne einer Glocke im ganzen Leib.« Glück erfüllte sie bei dem Gedanken, dass Johns Sohn nachempfinden würde, was sein Vater so sehr geliebt hatte.
Mit den Zeichen lernten Catlin und Corvinus Johns Sohn erst richtig kennen. Sie erlebten, wie willig und wissbegierig er war, aufmerksam und klüger, als sie vermutet hatten. Flint dagegen wollte nichts von ihm wissen, lehnte ihn in Bausch und Bogen ab und spottete über seine Art der Verständigung. Es bereitete ihm Vergnügen, Eadric herumzustoßen und anzubrüllen. »Er hört es ja ohnehin nicht«, antwortete er, als Catlin ihn bat, nicht so zu schreien. Aber ich höre es, wollte sie erwidern, doch aus Furcht, ihm könne wie schon so oft die Hand ausrutschen, wagte sie nichts zu sagen. Dass er sie schlug, wenn ihm etwas nicht passte, wurde immer mehr zur Gewohnheit. Randal stand der Abscheu ins Gesicht geschrieben, wenn er sah, wie Flint seine Ehefrau behandelte, aber er schwieg.
Corvinus dagegen war jedes Mal auf dem Sprung, bereit, sich auf ein Wortgefecht, sogar auf einen Faustkampf mit Flint einzulassen, um Catlin zu beschützen. Sie aber flehte ihn an, sich zurückzuhalten. Wenn sie beobachtete, dass er kaum noch an sich halten konnte, verbot sie ihm allein mit Blicken, sich einzumischen. Falls Flint ihn hinauswerfen wollte, würde sie kaum etwas dagegen unternehmen können, doch sie brauchte Corvinus, als Freund und Vertrauten.
»Wenn Sir Richard das nächste Mal kommt, erzähle ich ihm, wie der Kerl sich hier aufführt!«, knurrte er, als Flint wieder einmal das Haus verlassen hatte, um sich wie so oft in der Schenke zu verlustieren. »Ich halte es kaum noch aus. Wie konntest du ihn nur heiraten?«
Catlin erhob Einspruch. »Du weißt doch selbst, dass er nicht immer so war.«
Corvinus musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. »Das meinst du nicht im Ernst, oder? Vom ersten Tag an hat er mich drangsaliert. Entsinn dich des Vorfalles mit der Münze. Er hat behauptet, ich hätte sie gestohlen, aber das war gelogen. Ich hatte das Geldstück nie in der Hand. Er hat nur so getan, als hätte er es mir entwunden.« Corvinus war rot vor Zorn. »Ich hasse ihn. Er ist der niederträchtigste Lump, der mir je begegnet ist. Er ist stark und kann tüchtig hinlangen, aber er ist kein Glockengießermeister. Dazu hat er weder das nötige Wissen noch genug Hingabe für unser Handwerk.« Corvinus war außer Atem, als er geendet hatte, so sehr hatte er sich aufgeregt. »Die Liebe muss dich blind machen, sonst hättest du bemerkt, welch ein Rohling er ist.« Aus seinen Worten sprach schiere Verzweiflung.
Catlin senkte den Kopf. Corvinus hatte recht in allem, was er sagte. Flint war ein
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