Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
aufsteigen. Der Junge, mit dem sich der Meister damals gebalgt hatte, war sein Sohn! Nie im Leben hätte Randal das für möglich gehalten. Widernatürlicher Gefühle für einen jungen Mönch hatte er John verdächtigt. Nur darum hatte er sich nackt zu ihm gelegt, widerstrebend zwar, aber der festen Meinung, dies sei unumgänglich. Randal wusste vor Scham nicht, wohin er blicken, was er denken sollte. Kein Wunder, dass der Meister ihn entrüstet hinausgeworfen hatte. Randal hielt es kaum noch aus in der Gießerei, floh unter dem Vorwand, sich um das Pony zu kümmern, in den Hof, während Corvinus das größere Pferd in den Mietstall zurückbrachte. Nachdem er dem Tier einen Eimer Wasser hingestellt hatte, ging er aufgeregt hin und her. Zum Glück war es fast Abend. Mit der Arbeit noch einmal anzufangen lohnte sich nicht.
»Erlaubt Ihr, dass ich heute etwas früher gehe, Meisterin? Es war so viel zu tun in den letzten Tagen.« Er bemühte sich, seiner Stimme einen gleichmütigen Klang zu verleihen.
»Gewiss doch, Randal.« Catlin, wie er die Meisterin im Geist manchmal nannte, klopfte ihm auf die Schulter. »Ich danke dir für deinen Fleiß und deine Zuverlässigkeit. Geh nach Hause zu den Deinen!« Sie kramte ein paar Münzen aus ihrem Beutel. »Für Fleisch, Brot und Bier, damit ihr ein wenig feiern könnt. Schließlich verdanke ich es dir, dass ich Eadric gefunden habe.« Sie legte einen Arm um ihren Stiefsohn und lächelte ihn an.
Säure stieg Randal vom Magen bis zum Hals herauf, als hätte er Essig getrunken. Er taumelte durch die abendlichen Gassen, drängte sich durch die Menge und stieß zur Seite, wer immer ihm in die Quere kam. Noch kehrte er nicht nach Hause zurück, sondern irrte durch die Straßen, rempelte und schimpfte. Eadric war taub, hatte die Meisterin gesagt. Von ihm ging demnach keine Gefahr aus, versuchte er sich zu beruhigen. Seine Wut auf den jungen Mann aber war ungebrochen. Seinetwegen hatte es das Missverständnis zwischen ihm und dem Meister schließlich erst gegeben. »Wäre er doch nur nie hergekommen!«, knurrte Randal, kaufte weder Brot noch Fleisch, weil ihm nicht zum Feiern zumute war, sondern hockte sich in eine Schenke und trank zum ersten Mal seit Langem mehr, als er vertrug.
»Was ist mit dir? Sag, was ist geschehen, Liebster?«, bedrängte ihn Merilda, als er betrunken in die Stube torkelte. »Leise, die Kinder schlafen!« Sie legte den Finger auf den Mund.
»Ich bin ein Narr, ein dummer, einfältiger Narr.« Er sank in sich zusammen. Merilda legte ihm die Hände auf die Schultern und küsste ihn auf den Scheitel. »Lass mich!«, fuhr er sie an und wollte sie schon von sich stoßen, als sie plötzlich kicherte.
»Fühl nur!«, raunte sie, nahm seine Hand und führte sie zu ihrem Leib. All sein Zorn verrauchte, als er spürte, wie das Ungeborene strampelte. Fest und kugelrund war Merildas Leibesmitte. Randal konnte nicht anders, als sie zu küssen. Vater zu werden war für ihn jedes Mal aufs Neue das schönste Geschenk.
»Ich liebe dich«, murmelte er. »Verzeih mir!«
»Diesmal wird es wohl eine Tochter«, sagte sie.
Randal blickte sie fragend an. »Tatsächlich?«
Merilda hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es.«
»Ein kleines Mädchen«, überlegte Randal und lächelte. »So hübsch und liebevoll wie du.« Er küsste sie auf die Nasenspitze.
»Lass uns schlafen gehen, Liebster!« Sie zog ihn mit sich aufs Lager, küsste ihn, lockte ihn mit ihren vollen Brüsten und liebte ihn.
»Was täte ich nur ohne dich?«, seufzte er dankbar, dann schlief er ein.
Auf dem Rückweg von St. Edmundsbury hatte Catlin beschlossen, Eadric mit dem Handwerk seines Vaters vertraut zu machen. Wie sie es anstellen sollte, ihm das Wesen des Glockengießens begreiflich zu machen, wusste sie nicht. Bestimmt konnte er lernen, Steine zu behauen, Glockenkerne zu mauern und Lehm zu verteilen. Sicherlich war ihm vieles beizubringen, doch er sollte nicht nur Anweisungen ausführen. Er sollte verstehen, warum alle jene Arbeitsgänge erfolgten und warum seinem Vater dieses Handwerk so wichtig gewesen war. Ihre Begeisterung, die auch Johns Leidenschaft gewesen war, wollte sie Eadric näherbringen. Sie fragte Corvinus, was er von dem Vorhaben hielt. Erst sah er sie an, als wäre sie nicht ganz bei Sinnen, doch noch am Nachmittag des gleichen Tages kam er voller Eifer zu ihr.
»Ich habe nachgedacht. Über Eadric und die Töne!«, rief er, setzte sich auf den wackeligen Schemel
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