Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
alle Kirchen der Templer gebaut, auch die in London. Der Maréchal, der Vater des jungen Earl, war kurz vor seinem Tod dem Orden beigetreten; darum befand sich sein Grab in der Rotunde. Catlin hatte es aufmerksam betrachtet. Die Grabplatte zeigte einen starken, stolzen Mann. Ihn also hatte Catlins Großmutter geliebt. Ein merkwürdiges Gefühl war das, und so recht konnte sich Catlin das nicht vorstellen. Mit neun war sie ein wenig in den Sohn des Köhlers verliebt gewesen, der ihren Vater mit Holzkohle beliefert hatte, doch die zarte Flamme war rasch erloschen. Seitdem wartete Catlin. Ob sie eines Tages ebenso verliebt wäre wie ihr Vater? Oder ihre Großmutter? Im Gegensatz zum Maréchal, der König John trotz aller Widrigkeiten stets treu gedient hatte, hatte sich sein Sohn zu dessen Lebzeiten auf die Seite der aufständischen Barone geschlagen und für die Unterzeichnung der Magna Charta gekämpft. Sogar den französischen König hatte er unterstützt, als dieser nach dem Thron Englands hatte greifen wollen. Erst nach König Johns Tod hatte sich der junge Earl wieder dem königlichen Lager angeschlossen.
Richard hatte Catlin erklärt, es sei kein Wunder, dass so viele Barone König John gehasst hätten. Der Maréchal höchstselbst habe ihm erzählt, wie schwierig der Herrscher gewesen sei. Oft niedergeschlagen, unduldsam, zuweilen gar überaus grausam, unberechenbar für die Barone ebenso wie für seine Königin, seine Kinder und seine Untertanen. Alle hatten ihn und die Schwermut gefürchtet, der er immer wieder anheimgefallen war. Auch der Maréchal, der ihm doch immer treu ergeben gewesen war, hatte allzeit bangen müssen – um seine Stellung, seine Söhne, die Sicherheit seiner Frau und seiner Besitztümer. Der düstere Blick, der drohende Unterton in der Stimme, ja, sogar die Aufmerksamkeit des Königs hatten alle in bangende Unruhe versetzt. Seine Kinder, besonders aber Henry, seinen Ältesten, hatte er oft voller Zorn getadelt und streng bestraft. Weil kein Hasenfuß aus dem künftigen Herrscher werden sollte, wie er unablässig verkündet hatte.
Zum Glück war Henry, genannt der Dritte, nicht wie sein Vater. Er lachte gern, wünschte sich trotz der Last der Krone die Unbeschwertheit seiner Jugend zu bewahren und wusste, dass Freundschaft ein zerbrechliches Gut war, das gepflegt werden musste, manchmal Nachsicht erforderte und von großer Bedeutung nicht nur für einen Herrscher war. Er schätzte und brauchte den Zweiten Earl of Pembroke, der ein wohlhabender, einflussreicher Mann war. Dem Maréchal hatte Henry von Kindesbeinen an vertrauen können, darum – so hatte Richard Catlin erklärt – war es ihm richtig erschienen, dem jungen Earl die Hand seiner jüngsten Schwester zu geben und ihn so für alle Zeiten an sich zu binden. Obwohl der Franzosenkönig keine Bedrohung mehr darstellte, nachdem ihn der Maréchal noch kurz vor seinem Ableben in die Knie gezwungen und die abtrünnigen Barone dazu gebracht hatte, ihrem König erneut die Treue zu schwören, stand Henrys Verhältnis zu seinen Baronen nach wie vor auf schwankendem Fundament. Nicht einmal zehn Jahre alt war er gewesen, als er Englands Thron bestiegen hatte. Keine leichte Aufgabe für einen Knaben. Zu Lebzeiten hatte der Maréchal alles in seiner Macht Stehende getan, um den jungen König zu schützen. Nach seinem Tod war es nicht einfacher geworden, Englands Herrscher zu sein, denn mit ihm war nicht nur der mächtigste, zuverlässigste Regent Englands gegangen, sondern vor allem ein väterlicher Freund, auf den Henry stets hatte bauen können. In Richard, Knightly und dem jungen Earl aber, so hatte er Richard in Weinlaune anvertraut, fand er die besten Wesenszüge des alten Freundes wieder. Richard als der älteste Enkel des Maréchal hatte dessen Zuverlässigkeit und Treue geerbt, sein Bruder Knightly den Kampfgeist und der junge Earl die Titel und den politischen Einfluss. In London hatten sie alle gemeinsam ausgelassen gefeiert, getrunken und gegessen. Nun aber war die Zeit des fröhlichen Ausschweifens vorbei. In St. Edmundsbury erwarteten den jungen König schwierige Verhandlungen mit dem Abt.
»Wie steht es, Mistress, habt Ihr Euch unter meinen Männern schon einen zum Heiraten erwählt?«, rief Henry plötzlich zu Catlin herüber und riss sie aus ihren Gedanken. Als er sah, dass sie erschrocken aufblickte, grinste er und frotzelte weiter. »Oder steht Euch der Sinn noch nicht nach einem Gemahl?« Schalk sprühte ihm aus den
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