Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
ausziehen, schließlich soll es ja für die Hochzeit sein, nicht wahr?«
Den schlechten Mann muss man verachten,
Der nie bedacht, was er vollbringt
Friedrich Schiller, Das Lied von der Glocke
Bei St. Edmundsbury, Anfang Mai 1224
E ine träge Herde grauer Wolken zog über die blaue Himmelswiese gen Westen, als triebe die Sonne sie einem Schäfer gleich vor sich her.
Der lange Zug aus Reitern, Packpferden, Wagen, Hunden und Fußsoldaten, die den König begleiteten, bewegte sich träge voran.
»Es sind nur noch wenige Meilen, mein König«, antwortete Adam of Caldecote, als ihn der junge Henry, Dritter seines Namens, voller Ungeduld fragte, wann sie endlich am Ziel seien.
»Ein Becher gewürzten Weines bekäme mir jetzt wohl.« Der junge König seufzte vernehmlich und rutschte in seinem Sattel hin und her. »Ich wäre lieber noch eine Weile in London geblieben«, brummte er.
Adam schnippte mit den Fingern. »Ich schicke sogleich einen Boten voraus, damit man Euch gebührend empfängt.« Er winkte einen Soldaten herbei und erteilte ihm den Auftrag, die Ankunft des Königs in St. Edmundsbury anzukündigen.
»Nicht einmal drei Tage Hochzeitsfeierlichkeiten für die Schwester des Königs! Ist ein wenig knauserig, mein neuer Schwager.« Henry schnaubte verächtlich, dabei wusste er genau, dass es dem Earl of Pembroke nicht am Geld, sondern an der Zeit gemangelt hatte.
Catlin dachte an den Tag der Hochzeit zurück, der unendlich weit fort schien, obwohl er noch nicht lange vergangen war. Richard und Adam hatten sich an jenem Morgen schon in aller Frühe ins Badhaus begeben, was Hilda ganz und gar nicht geschmeckt hatte. »Ein Sündenpfuhl ist so ein Badhaus«, hatte sie geringschätzig gemurmelt und Catlin beim Ankleiden und Kämmen geholfen. »Herzallerliebst, Ihr seht herzallerliebst aus«, hatte sie immer wieder gesagt, in die Hände geklatscht und den Kopf geschüttelt. Die Falkner, wie ihr Herr in neues Tuch gekleidet, hatten im Hof gewartet. Adam war als Einziger mit Gambeson, Kettenhemd und Waffenrock angetan gewesen, hatte goldene Sporen an den Stiefeln und ein aufwendig verziertes Schwert am Gürtel getragen, wie Catlin mit einem Stirnrunzeln bemerkt hatte. Mit dem kostbaren, fellverbrämten Mantel um die Schultern hatte Richard besonders würdevoll ausgesehen und war auf den ersten Blick als Anführer ihrer kleinen Gruppe zu erkennen gewesen.
Catlin hatte vor Aufregung ganz kalte Hände bekommen, obwohl die Sonne geschienen hatte und sie, wie jetzt auch, neue Handschuhe getragen hatte, die Richard ihr noch vor dem Aufbruch zur Hochzeit in die Kammer hatte bringen lassen.
»Danke«, raunte sie ihrem Vetter plötzlich zu. »Fürs Mitnehmen und alles andere.«
Richard nickte lächelnd.
Ein Stoßgebet nach dem anderen hatte Catlin an jenem denkwürdigen Tag zum Himmel geschickt, alleweil an ihrem Gewand gezupft und den Herrn angefleht, er möge ihr gnädig sein und dafür sorgen, dass sie das kostbare Kleid nicht mit ihrem Monatsblut befleckte, denn sie war unrein gewesen. Ein Lächeln umspielte ihren Mund bei dem Gedanken an das kostbare Gewand. Ein kleines Mädchen am Straßenrand hatte sie gar für die Prinzessin gehalten, so leuchtend schön war das Kleid gewesen. Bei dem Gedanken an jenen Augenblick errötete Catlin vor Stolz. Wenn diese Hochzeit mich schon so aufgewühlt hat, wie muss es dann erst um die kleine Prinzessin bestellt gewesen sein?, überlegte sie voller Mitgefühl. Während der Feierlichkeiten im Palast hatte das arme Kind nur wortlos dagesessen, hin und wieder stumm genickt und ansonsten schweigend in die Runde gesehen. Bei einer solchen Verbindung gehe es nicht um Liebe, hatte Richard ihr erklärt, sondern um Politik. Catlin wusste sehr wohl, dass Ehen aus vielerlei Gründen geschlossen wurden: aus Freundschaft zwischen zwei Familien oder um alte Fehden zu beenden, aus Not zuweilen oder aus Habgier, aus Liebe – wenn man wie ihre Eltern oder ihr Onkel William vom Glück gesegnet war –, weil man ein Versprechen gegeben hatte wie einst ihre Großmutter oder weil man ein ganz bestimmtes Ziel verfolgte.
Die junge Braut hatte ihr Jawort vor dem Portal der Temple Church gegeben. Die Tempelritter, Männer des Schwertes, die ein Gelübde abgelegt hatten, sahen es als ihre Aufgabe an, die Pilger auf ihrer Reise nach Jerusalem zu beschützen. So hatten sie entlang der Wegstrecken, die in die Heilige Stadt führten, Ordenshäuser errichtet. Rund wie die Grabeskirche in Jerusalem, so waren
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