Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
zu bringen.
Als Catlin ein leises Quietschen vernahm, gefolgt von einem schabenden Geräusch, horchte sie auf. War das nicht die Tür zu ihrer Kammer, die sich geöffnet und wieder geschlossen hatte? Sie riss die Augen auf und starrte in die Dunkelheit. Sie war doch gerade erst zu Bett gegangen. War sie etwa bereits eingenickt und hatte geträumt? Sie hielt den Atem an und rührte sich nicht. Kein Laut war zu hören. Sie zwickte sich in den Unterarm und stieß einen leisen Schmerzenslaut aus, über den sie selbst erschrak. Törichtes Ding!, schalt sie sich stumm. Jagst dir selbst Angst ein. Sie zog die Decke bis über das Kinn hoch und genoss die Wärme und Geborgenheit des Bettes, das sie in dieser Nacht nicht mit ihrem Gatten teilen musste. Ganz still lag sie da und wartete, ob das schabende Geräusch sich wiederholte. Nun aber, da sie hellwach war und lauschte, nahm sie außer fernem Stimmengewirr und dem Rumpeln eines Karrens nichts Ungewöhnliches wahr. Sie neigte den Kopf zur Seite und kuschelte sich in die Kissen, als ihr Blick auf einen dunklen Umriss neben dem Bett fiel. Ihr Herzschlag drohte auszusetzen. Was hatte dieser Schatten zu bedeuten? Sicher war es nur das fahle Mondlicht, das zwischen den Ritzen des Ladens in die Schlafkammer fiel und ihr einen Streich spielte. Sie schloss die Augen und atmete möglichst regelmäßig. Ob der Schatten noch da war? Sie beschloss, die Augen wieder zu öffnen und nachzusehen. Der Schatten war noch immer sichtbar, schien gar ein wenig näher gerückt. Catlin schlug das Herz bis zum Hals. Ist da jemand?, wollte sie schon fragen, doch das erschien ihr allzu töricht. Wer sollte da schon sein? Vermutlich war es nur ein Kleid, das am Haken an der Wand hing. Ihre Augen brannten vor Müdigkeit und wollten ihr zufallen, doch sie kämpfte gegen den Schlaf an. Ein Einbrecher stünde doch gewiss nicht einfach nur da, ohne sich zu bewegen. Ihr Herz pochte so laut, dass das Geräusch sicherlich im ganzen Haus zu hören war.
Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an das spärliche Licht, das der schmale Mond in die Kammer sandte, und schon bald schälte sich aus dem dunklen Umriss immer deutlicher die Gestalt eines Mannes heraus. Ich schlafe, versuchte sich Catlin einzureden, als sie Flint zu erkennen glaubte. Obwohl ihr der Geselle tagsüber unverhohlen schöne Augen machte, wagte er sich wohl kaum des Nachts ungebeten in ihre Kammer. Der Gedanke hingegen, er könne sich doch trauen, jagte ihr eine Hitzewelle durch den Leib. Der Geruch nach Schweiß und Lehm stieg ihr in die Nase, dazu eine leichte Ledernote, wie sie Flints Gürtel anhaftete. Für gewöhnlich legte er ihn ab, wenn ihm bei der Arbeit so heiß war, dass er den Oberkörper entblößte. Die Ader an Catlins Hals klopfte, als sie daran dachte, wie gut er aussah mit seinen kräftigen, feucht glänzenden Schultern, den starken Armen und dem flachen Bauch, der an ein Waschbrett erinnerte. Catlin wurde heiß, obwohl es in der Kammer kalt war. Ein Kribbeln und Flattern wie von tausend Flügeln in ihrem Magen machte sie trunken und tollkühn. Ohne ein Wort hob sie mit der Rechten die Decke an, glitt auf Johns Seite hinüber und legte die Linke einladend aufs Laken. Der Schatten zögerte nicht und trat ans Bett. Catlin wusste, dass es Flint war, der zu ihr unter das Leintuch und die Felldecke schlüpfte. Als sie aber gewahr wurde, dass er vollkommen nackt bei ihr lag, keuchte sie leise auf. »Ich bin noch …«, flüsterte sie in die graue Nacht hinein. Jungfrau, wollte sie sagen. Obwohl ich verheiratet bin.
Flint schwieg beharrlich. Ob er ahnte, wie sehr Catlin sich fürchtete und zugleich auf einen Kuss von ihm wartete? Der Gedanke an Thomas durchzuckte sie. Als sie zehn, vielleicht elf Jahre alt gewesen war, hatte er ihr einen kurzen, feucht klebrigen Kuss auf den Mund gedrückt. »So machen Verliebte das«, hatte er gesagt und versprochen, ihr bis ans Lebensende treu zu bleiben. Doch sein Vater hatte ihn zu den Mönchen geschickt, und Catlin war dankbar gewesen, dass Thomas seinen Liebesschwur nicht hatte halten können. Sie waren Freunde, und das würden sie ein Leben lang bleiben. Flint aber war kein Freund. Er war Verlockung.
Doch es geschah nichts. Gar nichts. Und bald schon konnte Catlin die Spannung kaum noch ertragen. Warum rührte sich Flint nicht? Fand er sie etwa nicht anziehend genug? Während sie noch darüber nachsann, was sich wohl zutragen mochte, wenn sie nichts tat, um ihn zu ermutigen, näherte er
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