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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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welchen Farben die große Festhalle Nebukadnezars gehalten war, worüber wir ja heute noch im unklaren sind, was uns sehr viele Sorgen bereitet.
    Das Kleid sah zum Höllenerbarmen niederträchtig aus. Da waren große Flächen, wo die Deckarbeiter es mit einem schönen saftigen Bolschewistenrot versucht hatten. Dann aber schien der Eigentümer oder der Kapitän diese Farbe nicht zu lieben, und man malte weiter mit Adelsblau. Das Rot hatte Geld gekostet, und man ließ es ruhig stehen. Anstrich war Anstrich, und dem fressenden Salzwasser ist es gleichgültig, ob es Bolschewistenrot oder Freiheitsgrün zu fressen hat, die Hauptsache ist, daß Wind und Wogen etwas zu fressen kriegen, sonst fressen sie das Schiff. Der nächste Besitzer wieder dachte, daß ein schwarzes Schiff schöner sei und ein fettes Schwarz die mißtrauischen Augen der Versicherungsgesellschaften besser verkleistern möchte als irgendeine andre Farbe. Aber nie wagte jemand sich so hoch in die Kosten zu versteigen, daß er das, was einmal gestrichen war, mit der neuen Farbe überstrichen hätte, um dem ganzen Kleid eine einheitliche Nuance zu geben. Nur keine überflüssigen Ausgaben, es war ja ein – halt, das will ich noch nicht sagen, denn ich weiß es noch nicht. Aber ein alter Salzwasserfisch riecht frühzeitig, und ich bin ein alter Salzwasserfisch, wenn es aufs Riechen ankommt.
    Wenn nun »Yorikke« auf Fahrt war oder in einem Hafen lag, reichte die Farbe nicht mehr, und es wurde mit den Farben weitergemalt, die gerade noch da waren. Der Skipper schrieb nur immer an: »Farbe gekauft. Farbe gekauft. Farbe gekauft.« Niemand kann von seinem Lohn allein leben. Aber die Farbe wurde nicht gekauft, sondern alles, was da war, wurde aufgebraucht, ob es braun, grün, violett, zinnober, gelb oder orange war.
    Also so sah die »Yorikke« von draußen aus. Mir wäre vor Schreck bald die Angelschnur aus der Hand geflitscht, als ich dieses Meerungeheuer zum ersten Male sah.
    Das kommt aber davon, wenn man den Deckarbeitern im Hafen keinen Tagesurlaub gibt, aus lauter Geiz. Der Erste Offizier weiß nicht, was er mit ihnen machen soll, und dann müssen sie anstreichen von morgens um sieben bis nachmittags um fünf, streichen, streichen, streichen, solange noch ein Pinselstiel auf der Welt ist und noch eine alte Blechbüchse an den Rändern eine Schicht verdickter und verkrusteter Farbe hat.
    Nun müssen die Deckarbeiter beim Streichen draußen an der Bordwand hängen an Tauen, oder sie sitzen auf schmalen Brettern, die an Tauen heruntergelassen werden. Kommt es nun vor, daß der ganze Kasten plötzlich einen gehörigen Schubs kriegt, sei es durch eine unerwartete große Welle oder durch das Aufrühren eines großen vorbeifahrenden Rieseneimers oder weil beim Gezeitwechsel den Fangtauen nicht richtig nachgegeben wurde, dann fliegt der Anstreicher mit seiner Todesschaukel los von der Bordwand. Weil er nun lieber sein Leben retten will als den Farbeimer, so geht natürlich der Farbeimer über Stag, und die bunte Tunke läuft an der Bordwand herunter. Der Eimer ist zwar gerettet und der Mann auch, der Eimer hing an einem Tau, und der Mann angelte noch rechtzeitig ein Tau. Aber die Farbe! Aber die Farbe! An der »Yorikke« konnte man außer den verschiedenen Farbversuchen noch ganz genau alle Püffe nachzählen, die das gute Schifflein während des Anstreichens in den letzten zehn Jahren erlebt hatte. Diese Farbenergüsse zu überstreichen, wäre Verschwendung gewesen. Es war Farbe, und der Zweck, mit Farbe die mancherlei Schönheitsfehler der »Yorikke« zart fühlend zu verdecken, war ja durch den Puff erfüllt worden. An und für sich war es schon teuer genug, weil ja nicht alle Farbe bei dieser Gelegenheit auf der »Yorikke« blieb, sondern ein Teil im Meer verschwand und der andre Teil auf den Hosen des Deckarbeiters hängenblieb, wo er ganz überflüssig war. Mit diesen angestrichenen Hosen, die man jetzt hinstellen kann, ohne daß sie umfallen, ist das Ereignis keineswegs beendet. Nun kommt erst noch die Auseinandersetzung mit dem Ersten Offizier, der die Meinung vertritt, daß die Farbe wertvoller sei als der Mann, und statt an sein unwichtiges Leben zu denken, hätte er zuerst an die wertvolle Farbe denken sollen. Deckarbeiter kann er auf dem Straßenpflaster auflesen oder unter dem Galgen wegholen, aber Farbe kostet Geld, und der Skipper wird ihm einen Mordsspektakel machen, weil er nun wieder nicht mit dem Farbenbuch und mit der Rubrik »Farbe gekauft«

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