Das Trauma
Typen binden soll. Ich bin davon ausgegangen, dass er mich wirklich wollte. Das wollen sie doch immer. Und ich bin diejenige, die geht. Verstehst du?«
»Doch, ich weiß«, sage ich. Denn in den Jahren, in denen ein Mann nach dem anderen durch Ainas Leben gezogen ist, hat es immer auf dieselbe Weise geendet. Sie hat Schluss gemacht.
»Also. Wo ich nun zum ersten Mal …«
Sie bringt das Wort nicht heraus, aber ich nicke ihr schweigend zu. Sie presst die Zähne krampfhaft aufeinander, und zwischen ihren Augenbrauen klafft jetzt eine tiefe Furche.
»Wie hast du es erfahren?«
Sie grinst wieder auf diese verzerrte Weise.
»Sie hat angerufen. Seine Scheißfrau hat angerufen. Mich.«
»Seine Frau? Aber woher hatte sie deine Nummer?«
»Du, es ist so banal, dass ich es kaum über die Lippen bringe. Sie hat seine SMS durchgesehen und meine Mitteilungen gefunden, offenbar war er zu blöd, um die zu löschen. Also hat sie mich angerufen.«
»Herrgott, was hat sie gesagt?«
Aina wischt sich eine Träne ab, die sich über ihre Wange zum Kinn hinstehlen wollte.
»Sie war ganz ruhig. Als ob sie anriefe, um ein Taxi zu bestellen oder eine Pizza oder so. Sie sagt, es wäre nicht das erste Mal. Er habe das schon häufiger getan. Er missbrauche … Liebe. Habe sie ausgenutzt. Und mich. Sie sagte, ich solle nicht traurig sein, ich solle versuchen, darüber hinwegzukommen, und ich könnte sie anrufen, wenn ich reden wollte. Es war so total … zivilisiert. Auf eine absurde Weise. Ich habe ihr nicht sofort geglaubt. Also habe ich Carl-Johan angerufen. Und er hat gleich alles zugegeben. Sie haben zwei Kinder. Und ein verdammtes Haus in Mälarhöjden.«
Ich denke schweigend über Ainas Bericht nach. Denke, dass Liebe nicht immer ein schönes, lichtes Gefühl ist, sondern bisweilen ein wildes Tier: immer auf der Jagd, immer hungrig lauert es am Rand unseres Daseins.
Lauert uns auf.
Keine Liebe ohne Leid. Immer jemand, der mehr will. Immer jemand, der enttäuscht wird. Immer dieser Schmerz.
Keine Gerechtigkeit, denke ich.
Es gibt keine Gerechtigkeit.
In dieser Nacht liegt Aina in meinem Bett und Markus auf dem Sofa.
Ich höre ihre gequälten Atemzüge, wenn sie nicht schläft. Draußen jagt der Herbstwind um das Haus. Der Regen trommelt auf das Dach.
Ich nehme im Dunkeln ihre Hand und drücke sie. Die Hand ist feucht und kalt, aber Aina drückt zurück.
Als ich aufwache, ist Aina verschwunden. Das Bett neben mir ist leer.
Alles ist dunkel, und der süßliche, erstickende Rauch des Kamins füllt mein kleines Schlafzimmer. Draußen höre ich den Wind, der offenbar stärker geworden ist und hungrig um die Hausecken heult. Ich kann auch das Meer hören, kann hören, wie die Wellen aufgewühlt draußen gegen die Felsen schlagen.
Aus dem Wohnzimmer vernehme ich leise Stimmen. Ich drehe mich zum Nachttisch um und taste nach dem Wecker, halb sechs. Wieso ist Markus um diese Zeit schon auf?
Als ich aufstehe, schlägt das Unwohlsein über mir zusammen wie eine Welle. Irgendwo hinter meinen Schläfen liegen die Kopfschmerzen auf der Lauer, ein leises, aber absolut spürbares Pochen, wie ein frischer Kater.
Die ewige Übelkeit, die offenbar nicht vergehen will, obwohl das in allen Büchern steht, Gerüche, die sich aufdrängen. Müdigkeit, diese lähmende verdammte Müdigkeit, die jede Zelle in meinem Körper durchdringt, aus allen Poren quillt. Und dann: das, worauf ich verzichten muss, und kaum habe ich das gedacht, ist die Sehnsucht auch schon mit ungeahnter Kraft wieder da. Nur ein Glas Wein. Nur ein kleines Glas. Das Geräusch des Korkens, der aus der Flasche gezogen wird, das Gluckern, wenn die Flüssigkeit ins Glas fließt. Das rituelle Kosten, das möglichen Zuschauern signalisiert, dass sich hier eine gebildete, weininteressierte Person ein Gläschen gönnt. Und keine jämmerliche Säuferin, die dem Flüstern und Rufen der Flasche nicht widerstehen kann.
Kaum bin ich aufgestanden, schon merke ich, wie kalt es im Zimmer ist. Ich ziehe Pantoffeln und Morgenrock an, der noch immer – Gott sei Dank – viel zu groß für mich ist.
Er sitzt im halbdunklen Zimmer, mit dem Rücken zu mir. Vor ihm, auf dem mit Krümeln und Fettflecken vom gestrigen Essen bedeckten Tisch, steht sein Laptop. In der Hand hält er eine volle Kaffeetasse.
Langsam schleiche ich mich hinter ihn, lege ihm die Hände auf die Schultern. Ohne etwas zu sagen, hebt er die rechte Hand und legt sie auf meine, drückt meine Finger.
Auf dem Bildschirm ist
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