Das Trauma
Wurzeln von einem Zentimeter zeigen, schüttelt den Kopf und sagt:
»Sie hätten sofort gehen müssen.«
Hillevi mustert sie schweigend. Lächelt ihr vorsichtiges, freundliches Lächeln und schüttelt den Kopf.
»Sie verstehen das nicht.«
»Aber Herzchen, was gibt es denn da zu verstehen? Der Kerl hat Sie geschlagen.«
Aber Hillevi lacht nur und schüttelt noch einmal den Kopf.
»Jakob und ich …«
Sie verstummt für eine Sekunde, und zum ersten Mal kann ich in ihrem Gesicht eine Unsicherheit sehen, die ich zuerst für einen Beweis dafür halte, dass sie Sirkka vielleicht doch zustimmt. Aber dann sagt sie:
»Ich weiß nicht so recht, wie ich es erklären soll, Sirkka, damit Sie es verstehen können. Und Sie anderen. Für Jakob und mich ist die Ehe heilig. Man lässt sich nicht scheiden. Das ist eine Glaubensfrage.«
Wieder schweigen alle. Nicht einmal Aina fällt etwas ein, was sie sagen könnte, sie nickt nur langsam, wie sie es immer macht, wenn sie etwas einfach nicht begreifen kann.
Ich schaue wieder zu dem leeren Stuhl hinüber, auf dem Kattis sitzen müsste. Ich frage mich, ob Henrik sie gefunden hat, ob sie deshalb nicht hier ist. Ob sie auch irgendwo liegt, mit gebrochenem Nasenbein und im ganzen Gesicht verschmiertem Blut.
»Aber wenn Misshandlung als Scheidungsgrund nicht ausreicht, was denn dann?«, fragt Malin, und in ihrer Stimme liegt etwas Provozierendes. Etwas, das zeigt, dass sie Hillevis Vorstellungen von der Ehe möglicherweise nicht teilt.
»Ich glaube, und ich weiß, dass Jakob das auch so sieht, dass man sich aus einer Krise herausarbeiten kann. Jeder Mensch ist dazu fähig, sich zu bessern. Und Jakob ist doch kein schlechter Mensch, das nun wirklich nicht. Er kann sich nur nicht beherrschen. Und solange er das nicht kann, können wir nicht zusammenleben. Ich habe das Bild, das die Medien von schlagenden Männern zeichnen, im Grunde ein wenig satt. Es gibt eine Tendenz, sie zu dämonisieren, nicht die Frage zu problematisieren, was einen Mann oder auch eine Frau zum Zuschlagen bringt. Alles ist so viel leichter, wenn man beschließt, sie zu Monstern auszurufen. Aber dieses Erklärungsmodell reicht nicht. Für mich jedenfalls nicht. Weil es nicht ausreicht und weil es nicht mit meinem Glauben übereinstimmt.«
»Und was haben Sie also gemacht?«, fragt Sirkka, und ich merke, dass sie versucht, ihre raue Stimme weich klingen zu lassen, um der Frage die Spitze zu nehmen.
»Wir haben mit unserem Pastor gesprochen. Er steht uns beiden nahe, und wir haben großes Vertrauen zu ihm. Wir haben zusammen gebetet, und für eine Weile hat die Lage sich gebessert. Aber dann ging es wieder los, und Jakob ging zu einem Psychologen, der sich auf diese Probleme spezialisiert hatte. Ich glaubte, er hätte sie im Griff. Er glaubte, er hätte sie im Griff. Aber als ich eines Tages nach Hause kam, hatte er Lukas geschlagen, weil ihm ein Saftkarton auf den Boden gefallen war. Lukas war triefnass … vor Saft und vor Blut. Ich musste seine Lippe mit zwei Stichen nähen lassen. In der Woche darauf hat er sich vor Angst die Hose nassgemacht, als ich ihm gesagt habe, sein Vater werde ihn aus der Schule abholen. Ich kann mir nicht verzeihen, dass ich das zugelassen habe.«
»Sie haben zusammen gebetet ?«
Malin scheint es nicht glauben zu können, aber Hillevi nickt, ohne sie anzusehen.
»Ich verlange nicht, dass Sie das verstehen, Malin. Es ist nicht so, wie einen Wunschzettel für den Weihnachtsmann zu schreiben. Es geht darum, mit Gott einen Dialog zu führen.«
Alles ist still. Abgesehen vom Rauschen des Verkehrs. Vor dem Fenster wirbelt ein einsames Blatt im Wind vorüber.
Hillevi sitzt still da, die schmalen Hände auf den Knien liegend, die grünen Augen auf mich gerichtet. Ihr Blick scheint durch mich hindurchzugehen, in die Wand und dahinter. Bis in die schwarze Hölle, in der sie sich aufgehalten haben muss. Und die Ehe genannt wird.
Dann ist durch die Wand ein Geräusch zu hören. Svens Stimme irgendwo in der Rezeption.
Ein Aufprall.
Eine schrille Stimme, eine Frauenstimme. Und dann wieder Svens dunklere Stimme. Aufgebracht.
Sie führen eine Art Gespräch. Streiten sie? Die Frau klingt erregt.
Hillevi dreht sich zu Aina und schaut sie fragend an. Sirkka rutscht auf ihrem Stuhl hin und her.
Schließlich wird die Tür aufgerissen, und jemand kommt hereingestürzt, eine schwarzgekleidete Frau im Mantel, mit blauen Schuhbezügen aus Kunststoff in der Hand, von denen ich weiß, dass Sven
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