Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Trauma

Das Trauma

Titel: Das Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe
Vom Netzwerk:
durchschnittlichen Mann oder den durchschnittlichen Frauenmisshandler?«
    Verärgert schiebt er meine Füße von seinem Knie.
    »Spitze, wirklich Spitze.«
    Ich kichere, trinke einen Schluck Schokolade, beuge mich zu ihm vor. Küsse seinen weichen Mund, lasse meine Zunge seine Lippen entlanglaufen.
    »Bist du jetzt sauer?«
    Er ist besänftigt, legt die Arme um meine Taille.
    »Nicht sauer, ich mache mir nur Sorgen um dich.«
    »Ich will nicht, dass du dir Sorgen um mich machst. Ich hab es total satt, dass andere sich Sorgen um mich machen.«
    »Das weiß ich, aber diesmal habe ich vielleicht einen Grund. Ich habe mit der Frau gesprochen, die die Voruntersuchung bei diesem widerlichen Mord in Gustavsberg leitet. Die Sache ist offenbar total daneben. Die Gewaltanwendung war … unglaublich heftig. Er hat wohl … ihr ganzes Gesicht weggetreten, es lag sozusagen daneben. Verstehst du? Vor dem Kind und überhaupt.«
    Mir wird plötzlich unbehaglich. Ich trinke noch einen großen Schluck von dem heißen Getränk.
    »Hat sie etwas gesehen?«
    »Die Kleine? Das weiß ich noch nicht, sie sollte gestern befragt werden, glaube ich.«
    »Vijay sagt, dass man so kleine Kinder nicht vernehmen kann.«
    Markus zuckt mit den Schultern.
    »Davon verstehe ich nichts. Sicher holen sie einen Kinderpsychologen dazu.«
    »Habt ihr ihn schon festgenommen? Ihren Typen?«
    »Nein, man kann keinen einfach so verhaften, es ist nicht sicher, dass er es war.«
    »Natürlich war er das. Es ist immer der Lover.«
    »Nein, es ist fast immer der Lover.«
    »Dasselbe.«
    »Nicht juristisch.«
    »Wie kannst du das sagen? Da tritt er vor den Augen ihrer kleinen Tochter seine Freundin tot, und du meinst einfach …«
    »Aber, Siri«, Markus schaut mich überrascht an. »Was ist eigentlich los? Seit wann bist du persönlich so sehr engagiert?«
    Plötzlich spüre ich, wie Übelkeit wie eine Welle in mir aufsteigt. Ich lasse fast die Tasse auf das Sofa fallen und stürze aus dem Zimmer. Ich kann gerade noch die Holztür aufreißen, dann kotze ich auf die Vortreppe. Die kalte Luft kriecht unter meine dünne Kleidung, lässt die Übelkeit für eine Sekunde versiegen. Ich atme schwer.
    Dann liegt seine Hand auf meiner Schulter.
    »Siri, was ist los? Bist du krank?«
    Ich lehne die Stirn gegen die kalte Hauswand, spüre, wie der Frost unter meiner Wärme schmilzt.
    »Ich glaube … ich glaube, das mit diesem Mord ist einfach zu viel. Können wir über etwas anderes reden?«
    Er gibt keine Antwort, sondern führt mich behutsam zurück in die Wärme des Wohnzimmers.
    Die Geräusche der Herbstnacht vor unserem Schlafzimmerfenster: der Wind, der über die Schären jagt, dünne Zweige, die am Haus kratzen wie Finger. Der Regen wie Trommeln auf dem Eternitdach. Ein schwacher Duft nach Kamin, der noch im Zimmer hängt.
    Markus hebt mich auf sich, so dass ich rittlings über ihm sitze, streichelt meine Brüste. Lässt seine Hände auf meine Hüften sinken und für eine Sekunde dort liegen. Dann fährt er mir mit seinen breiten Händen über Bauch und Hintern.
    »Hast du ein bisschen zugenommen?«
    Sein Ton klingt scherzhaft.
    Ich weiche aus, ziehe mich ans Bettende zurück. Versinke tief unter der Daunendecke, als könnte das die Wahrheit verbergen.
    Das Unaussprechliche.
    Ich weiß, dass ich es ihm sagen muss, aber ich finde keine Worte. Denn wie soll man so etwas sagen?
    Ich will dein Kind, aber dich will ich nicht.
    Nachtschwarzer Morgen.
    Windstille.
    Nicht ein Laut ist zu hören, als ich zur Hütte hinübertaumele, nur mit Markus’ riesiger Daunenjacke und Gummistiefeln bekleidet. In der Nacht muss die Temperatur unter null gesunken sein, denn die Pfützen sind bedeckt von millimeterdickem Eis, das bricht wie dünnes Glas, als ich weiterstapfe, ohne jeden Respekt vor diesem Wunder der Natur: der brüchigen milchweißen Haut, mit der die Kälte den Boden überzogen hat.
    Die Übelkeit füllt meinen Körper, von den Zehen bis zum Kopf.
    Aber heute schaffe ich es. Auf Knien kotze ich Galle in die Toilette der Hütte.
    »Warst du draußen?«, flüstert Markus schläfrig, als ich in die Wärme des Bettes zurückkehre, meine eiskalten Füße zwischen seine kräftigen Beine schiebe.
    »Mm. Pinkeln.«
    Er zieht mich an sich, und ich spüre seinen warmen Körper, perfekt temperiert, nicht feucht, sondern trocken. Ich war immer schon fasziniert von seinem Körper, wie muskulös er ist, wie trocken und weich seine Haut ist, wie seine Hände genau wissen, wie sie mich

Weitere Kostenlose Bücher