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Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Titel: Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerová
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in Frage stelle, die von kompetenter Stelle erwogen wurde. Im übrigen . . .
    Aber jetzt schloß sich nicht nur Frau Mašková Barborka an, auch die übrigen Arbeiterinnen aus dem Warenlager zogen nun wütend los, selbst Chef Hrabal ließ sich vernehmen und nach ihm sogar, wenn auch mit weinerlicher Stimme, Frau Kucerová.
    Als Barborka an diesem Abend nach Hause kam, fielen Pavel Starek sofort ihre Augen auf. Endlich hatten sich wieder die alten Funken in ihnen entzündet.
    »Was ist los?« fragte er und wandte den Blick nicht von ihrem Gesicht.
    »Nichts Besonderes«, sagte sie lächelnd. »Ich habe nur eben ein wenig Glas und Porzellan zerschlagen.«

Der Ausflug zum Schwanensee
    An einem strahlenden Sonntag saß ich einmal am Genfer See und schaute zu, wie Dutzende Segelschiffe gemeinsam in die durchsonnte Helle über dem Wasser ausliefen. Es war ein herrlicher Sommermorgen. Der Himmel selbst glich einem straff aufgespannten, tiefblauen Segel, dem die schneebedeckten, glitzernden Grate des Montblanc eine prächtige, wenn auch leicht altmodisch wirkende Dekoration verliehen. Mit den phantasievollen, in allen Farben und geometrischen Formen geradezu schwelgenden Verzierungen auf den bunten Segeln der ausfahrenden Jachten und Sportboote konnte sie keinesfalls Schritt halten.
    Ich saß verzückt auf einer Bank an dem gepflegten Seeufer, hinter mir ein bis zur Samtweichheit gepflegter grüner Rasen, links und rechts wuchtige Steinvasen mit gelb und grellrot leuchtenden Begonien. Alles duftete und funkelte, nicht nur die Menschen, auch die Natur schien an jenem Tag ein fröhliches Fest zu feiern.
    Da erblickte ich den schwarzen Schwan.
    Er zog einsam über das Wasser, bald hierhin, bald dorthin, ein dunkler Punkt in all dem farbfreudigen Jubilieren.
    Ich bekam Herzklopfen und konnte mir selbst nicht erklären warum. Da saß ich auf diesem schönen Fleckchen Erde, vor mir auf dem spiegelglatten See das unbeschwert heitere Schauspiel der Segelregatta, allesringsum war heiter und freundlich – und ich konnte den Anblick eines schwarzen Schwans nicht ertragen. Eben zog er in elegantem Bogen um den mit Girlanden behängten kleinen Landungssteg.
    Ich schloß die Augen und suchte fieberhaft in meinem Gedächtnis. Wann und wo war ich schwarzen Schwänen begegnet? Und was war damals geschehen?
    Als Kind kannte ich sie aus Märchenbüchern. Dort trugen sie zumeist kleine goldene Krönchen auf dem Kopf und waren fast immer verwunschene Prinzen, um die ich ein wenig zittern mußte, ehe sie spätestens auf der übernächsten Seite glücklich befreit wurden. Das konnte es nicht sein.
    Dann erwachte in mir das Bild eines dunkelgrünen Gewässers. Breitflächig hingen fächerförmige Blätter darauf herab, die von einem Gewirr krauser Büschel mit milchig weißen Kügelchen und ein paar bunten Blütenzweigen durchwoben waren. Palmen, Lianen und Mistelzweige über einem kleinen, von modrigem Gestein eingefaßten Wasserbecken im Chapultepec-Park in der Hauptstadt von Mexiko. Dort gab es auch schwarze Schwäne, genau gesagt, ein schwarzes Schwanenpaar . . .
    Und plötzlich wußte ich, woher meine jähe Unruhe kam. Das hatte nichts mit Mexiko zu tun und schon gar nicht mit Märchenprinzen, ja nicht einmal mit einem schwarzen Schwan. Er hatte mich bloß an etwas erinnert. An einen Ausflug, eine Begegnung mit seinesgleichen, an einen Tag, den ich lieber vergessen würde, der jedoch in mir gebliebenist wie ein durchdringender und unüberwindbarer Schrecken. Übrigens war es ein weißes Schwanenpaar gewesen, das ich damals gesehen hatte, erst in meiner Erinnerung hat es sich verfärbt.
    Ziehen weiße Schwäne ins Reich des Hades?
    Ich öffnete die Augen und blickte von neuem hinaus auf den schönen See mit dem frohen Gewimmel, mit den mühelos dahingleitenden Booten und ihren vom Wind geblähten, gestreiften, geblümten, beringten oder einfach in allen Farben leuchtenden Segeln.
    Über die Bank, auf der ich saß, fiel inzwischen der Schatten eines großen Baumes. Der schwarze Schwan auf dem Wasser war verschwunden.
    Reif lag auf den Bäumen zu beiden Seiten der Landstraße. Die Felder waren wie festgefroren. Ein Windstoß wirbelte Eisnadeln vom Wegrand auf, sie stichelten in der Luft. Alles war kalt. Eine Krähe erhob sich mit schwerem Flügelschlag in das harte Graublau. Verschwommen und ohne Wärme hing die Sonne über einem Scheunendach. An der Regenrinne darunter bildete der Rauhreif kleine Schlingen.
    War ich zu einem Begräbnis

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