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Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Titel: Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerová
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Prag. Aber da war mein Mitreisender wohl schon in Gefangenschaft, Gott sei Dank bei den Amerikanern und nicht beim Russen.
    »Und vorher?« wollte mein Gegenüber weiter wissen. Fragte ganz gemütlich, zugleich aber auch jetzt wieder mit unüberhörbarem Nachdruck.
    »Wie es halt so kam«, lautete die bereitwillige Antwort. »Zuerst hat es mich nach Rumänien verschlagen und dann nach Preßburg und Znaim. Hatte Schwein, war nie an der Ostfront. Der Schluß kam dann, wie ich schon sagte, bei Schörner in Böhmisch Budweis. Und Sie?«
    Der Mann auf dem Fensterplatz gegenüber ließ sich nicht lange bitten.
    »Also ich war zum Glück bei der SS«, sagte er vergnügt, hob den Arm und klopfte mit der Hand leicht in seine Achselhöhle, wo die Totenkopfträger der Sturmstaffeln bekanntlich das Zeichen für ihre Blutgruppe eintätowiert hatten. Schließlich waren sie eine Elitetruppe.
    Ich starrte ihn an. Da saß mir gegenüber, kaum einen Meter entfernt, ein Mann, der Jahrzehnte nach Kriegsende in einem internationalen Eilzug ohne die geringste Hemmung, ja sogar mit unverhohlenem Stolz bekanntgab, daß er »zum Glück« bei der SS gewesen war.Soll ich etwas sagen, bohrte es in meinem Kopf, oder ihn lieber weiterreden lassen? Was wird er uns, um Himmels willen, noch erzählen? Ich könnte ihn ja zum Beispiel fragen, ob er mit seinem SS-Kommando nicht zufällig meiner kleinen Schwester in Ravensbrück begegnet war oder meiner älteren Schwester mit ihrem achtjährigen Söhnchen in Auschwitz. – Meine Mutter – o Gott, mit meiner Mutter war ich doch als kleines Mädchen im Prager Neuen Deutschen Theater bei einer Aufführung des Dreimäderlhauses und habe mit Herzklopfen das bittersüße Liebesspiel um Franz Schubert verfolgt –, meine Mutter hat in Theresienstadt Uniformen bügeln müssen, ehe sie nach Birkenau transportiert wurde. Vielleicht war seine darunter. Soll ich ihn fragen?
    Ich schwieg.
    »Sie müssen wissen, ich bin Invalide«, fuhr inzwischen mein durchaus rüstig aussehender Zugnachbar in seinem Bericht fort. »Ich war nämlich auch noch beim Endspiel in den Ardennen dabei. Habe dort einen Lungenschuß abbekommen. Seither trage ich allerhand alliierte Splitter als Souvenir in beiden Flügeln der Lunge mit mir herum, ha, ha.«
    »Da müssen Sie sich aber schonen«, mahnte die Frau mit den Zeitschriften mitfühlend.
    »Na ja, wir halten schon was aus, war ja auch kein Kinderspiel unser Feldzug.«
    Das war er nun wirklich nicht.
    Ich hüstelte ein wenig, weil mir der Hals ausgetrocknet war. Die Blondine hielt mir sogleich von neuem mit liebenswürdigem Lächeln ihre Bonbontüte hin.
    »Nehmens doch bitte und lutschens langsam, das hilft.«
    Absurd. Das Ganze kann nicht wahr sein. Meine Phantasie gaukelt mir wohl nur etwas vor. Ich muß mich zusammennehmen, das ist alles.
    Ich steckte dankend ein Himbeerbonbon in den Mund und blickte dem Mann gegenüber voll ins Gesicht. Er streifte mich abermals mit seinem spitzen Blick.
    »Ja und dann?«
    Die Brillengläser seines Kameraden in der anderen Ecke blitzten, das ganze Männlein zappelte vor ungeduldiger Wißbegierde. Was war das doch damals für eine große Zeit!
    »Na dann begann ja die große Scheiße«, fuhr der Befragte, immer gemütlich, fort. »Bei Ingolstadt haben mich die Amerikaner gefangengenommen. Sie sagten es, war auf jeden Fall besser als beim Russen. Obwohl, von Ordnung und Organisation hatten die auch keinen blassen Dunst. Denken Sie nur, wir waren hübsch ein paar tausend Mann. Da haben die uns doch auf einer Wiese oder einem abgebrannten Acker – bei dem Durcheinander konnte man das ja nicht richtig feststellen –, die haben uns dort also alle zusammengepfercht, einen Strick rundherum gespannt und bitte sehr! Das war bei denen ein Kriegsgefanenenlager!«
    »Und Sie noch dazu mit Ihrer Verwundung!« bemerkte die Frau in der Ecke gefühlvoll und glättete kopfschüttelnd ihre Zeitschrift.
    Mein Gegenüber machte bloß eine wegwerfende Handbewegung.
    Wie viele Menschen pflegte die SS in einem Viehwagen zusammenzupferchen? Allerdings perfekt organisiert; von einem Verschluß mit Stricken war da keine Rede, auch die Bewachung funktionierte verläßlich.
    »Von wegen Verwundung«, sagte der Mann und lachtekurz auf. »In einer solchen Lage hat man andere Sorgen. Habe mich bald mit ein paar Kameraden abgesprochen, und eines Nachts gingen wir los. Na und einmal draußen, da haben mir die Menschen überall geholfen. Es genügte, daß ich den Arm hob«, und

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