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Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Titel: Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerová
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Meine Ankunft, meine ersten Eindrücke und Erfahrungen in seinem von meiner Heimat so fernen Land bestätigten seine tröstlichen Worte. Es war wirklich so und nicht anders.
    Seither sind viele Jahre vergangen. Der große Krieg ist längst vorbei. Hatten wir freilich gehofft, nach einer solchen Katastrophe werde die Menschheit diese Plage nun endgültig los, so kam es leider wieder einmal ganz anders. Hätte ich mir z.B. je vorstellen können, daß ich, die einzige Überlebende meiner Familie, die einzige in unser Prag Zurückgekehrte, hier, in meinem Land und nach dem Sieg des vermeintlichen Sozialismus, dem ich mich seit meiner frühen Jugend mit Haut und Haar verschrieben habe, daß ich durch die auf absolute Macht gestützte Willkür und den Stumpfsinn einer auf den Kopf gestellten Ideologie zum Feind eben dieses Sozialismus erklärt, abermals im Gefängnis landen würde? Ein Schicksal, dem Tausende wehrlos ausgesetzt waren.
    Auch diese schlimme Zeit fand ihr Ende. Und eines Tages war es wiederum ein Brief, der mir ein zweites Mal den Weg nach Mexiko erschloß. Und von neuem, ungeachtet all der Jahre, die inzwischen vergangen waren, und all der Erfahrungen, die ich inzwischen an guten und bösen Tagen gesammelt hatte (Menschen, Menschen sind im Walde!), befiel mich die Sorge: Wie werde ich dort . . .
    diesmal war ich zu einer internationalen Konferenz über die kulturelle Tätigkeit deutschsprachiger europäischer Emigranten in Mexiko während des zweiten Weltkriegs eingeladen. Schon der zeilenlange Titel dieser Zusammenkunft jagte mir einen leichten Schrecken ein. Einberufen wurde sie von der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko und dem dortigen Goethe-Institut. Auf dem Programm standen Namen von Professoren, Historikern, Literaturwissenschaftlern aus verschiedenen Ländern Europas und des amerikanischenKontinents. Ich gehöre zu keiner dieser Kategorien. Aber als ich zu Hause an meinem Schreibtisch saß, vor mir den Brief mit der unverhofften, wunderbaren Einladung, da fiel mir plötzlich ein: Mein Spezialfach kann man an keiner Hochschule studieren. Man kann es nur sein. Ich bin ein Zeitzeuge, wie man jetzt zu sagen pflegt, ein lebender Zeuge jener widerspruchsvollen Epoche. Von diesem Augenblick an zerstoben meine kleinlauten Ängste und Befürchtungen allmählich, standen meiner ständig wachsenden Vorfreude nicht mehr im Weg. Laß deine Sorgen getrost zu Hause, ermahnte ich mich, wollte sich meiner ab und an von neuem nervöse Unruhe bemächtigen, es kommt ja ohnehin alles ganz anders.
    Bei dieser zweiten Mexiko-Reise bestieg ich kein Schiff, diesmal flog ich. Zuerst von Prag nach Frankfurt a. M. Meine Freunde und Emigrationsgefährten, das Ehepaar Walter und Lotte Janka aus Berlin, wurden gleichfalls zu der Konferenz erwartet. In der voll besetzten Abflughalle in Frankfurt hielt ich gespannt nach ihnen Ausschau. Es muß die älteren Herrschaften, die da mit Foto- und Filmkameras behangen, zum Teil schon nahezu tropisch bekleidet und sonnenbebrillt die Aufforderung zum Besteigen des Flugzeugs erwarteten, ein wenig merkwürdig berührt haben, daß sie von einer eher untouristisch ausgerüsteten, gleich ihnen älteren Dame eingehend gemustert wurden, daß sie wiederholt um sie herumstrich und ihnen dabei recht unverblümt ins Gesicht starrte. So etwas gehört sich doch nicht, noch dazu in diesem Alter! Ich ließ mich jedoch durch ihre mißbilligenden Blicke nicht anfechten. Ich suchte die Jankas, die ich etliche Jahre nicht gesehen hatte, suchte sie beharrlich, aber vergebens.
    Als ich mich schließlich auf meinem Sitz in dem gespenstisch großen Flugzeug einrichtete, kam ich mir so ganz allein ein bißchen verloren vor. In dieser fliegenden Massenversammlung schwatzender, schmatzender, mitunter auch schnarchender Touristen und einer Anzahl bemerkenswert kinderreicher Familien, die offenbar von einem Europabesuch in ihre Heimat zurückkehrten, war ich ein farbloser Einzelgänger. Kontakt hatte ich nur mit dem kleinen Bildschirm vor meinen Augen, der mich laufend über den Ort, den wir gerade überflogen, die Flughöhe, die Innen- und Außentemperatur informierte. 70 Grad Celsius unter Null, hieß es da zum Beispiel. Donnerwetter, hier möchte ich nicht aussteigen!
    Wie weit war ich nun schon von Europa entfernt? Was alles hatte ich hinter mir gelassen! Und wieviel davon schleppte ich als unkontrollierbares und zäh an mir haftendes Kopfgepäck mit! Ich selbst muß doch anders geworden sein in all den

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