Das Traumtor Band II (German Edition)
Königin von Valamin? Und deine Bälger soll ich gebären und mir dadurch meinen makellosen Leib verschandeln? Was bildest du dir ein, du armseliger Hund, der auf ein Wort seines Herrn auf dem Boden kriechen muss? Soll ich am Hof eines drittklassigen Fürsten um Asyl und ein Nachtlager bitten und dankbar sein für jedes Stück Brot, dass man mir zuwirft, wo ich die alleinige Herrscherin dieses Landes sein könnte, wenn du nicht so feige wärst? Was meinst du denn, warum ich dir meine Gunst gewährte und deine verhassten Umarmungen ertrug? Hast du wirklich geglaubt, ein Dienstbote wie du könne das Herz einer Königin erringen? Ich habe dich von Anfang an dazu ausersehen, mein Werkzeug zu sein, das mir den Weg zur Macht ebnet. Du hast meinen Leib nur genießen dürfen, damit du willfährig bist für meine Pläne und damit deine Hand den Dolch für mich führt, der mir nicht nur die Alleinherrschaft über Valamin sondern auch die Rache an Rowin bringt, der mich verschmähte. Aber ich habe umsonst all das auf mich genommen! Du bist den Preis nicht wert, denn ich zahlte. Ich habe meinen Leib von dir besudeln lassen, von einer Memme, die nur äußerlich wie ein Mann erscheint. Aber du wirst mir büßen, dass du mich betrogst!“
Mit einem Wutschrei riss sie einen Dolch unter ihrem Gewand hervor, sprang auf N arin zu und stieß dem Ahnungslosen den scharfen Stahl die Brust, bevor er auch nur eine Bewegung der Abwehr machen konnte. Ein ungläubiger Ausdruck trat auf Narins Gesicht. Mit einem erstickten Laut presste er die Hände auf die Wunde und versuchte, mit schwindender Kraft den Dolch herauszuziehen. Dann brach er langsam in die Knie, den Blick immer noch in maßlosem Entsetzen auf Ilin gerichtet, die ihn mit kalten Augen ansah. Da erklang ein lauter Schrei, und Leston stürzte aus der Badestube. Erst als Narin fiel, hatten die Lauscher durch den Spalt der nicht ganz geschlossenen Tür sehen können, was geschehen war, da Narin mit dem Rücken das Geschehen verdeckte. Ohne sich um die wie versteinert da stehende Königin zu kümmern, warf er sich über den sterbenden Narin. Tränen liefen über seine runzligen Wangen, während er mit fliegenden Fingern die Wunde untersuchte. Doch er, der erfahrene Arzt, sah sofort, dass hier jede Hilfe zu spät kam. Hinter Leston waren Rowin, Targil und die beiden Edlen ins Zimmer geeilt. Im ersten Augenblick sah es so aus, als wolle sich Rowin auf die immer noch unbeweglich dastehende Ilin stürzen. Doch dann kniete er neben Narin nieder. Während die beiden Edelleute sich mit gezogenen Schwertern neben Ilin postierten, eilte Targil auf den Gang hinaus und kam mit zwei Wachen wieder.
„Schafft sie in den Kerker“, befahl er den Männern, „und bewacht sie gut! Sie ist eine Mörderin! Seht, sie hat euren Kameraden getötet und wollte auch unseren König umbringen. Ihr haftet mit eurem Kopf für sie!“
Leston saß auf dem Boden und hatte Narins Kopf auf seinen Schoß gebettet. Unaufhörlich rangen die Tränen aus den Augen des Alten, während er ohne Hoffnung versuchte, die Blutung zu stoppen, die stoßweise das Leben aus Narin verströmte. Erschüttert kniete Rowin daneben, fassungslos stand Targil und stumm und bewegt schauten die beiden Gefolgsleute.
„Ich bin schuld! Ich bin schuld!“ klagte Leston immer wieder. „Es war mein Plan, der ihn das Leben kostet. Oh, ihr Götter, das zweite Mal nehmt ihr mir einen Menschen, den ich liebte wie ein eigenes Kind!“
Da schlug Narin die Augen auf. „Nein, Leston, du bist nicht schuld“, flüsterte er, „denn du hattest mich vor ihr gewarnt. Es war zwar dein Plan, doch mein freier Wille, ihm zu folgen. Wie schade!“ Seine Stimme war nur noch ein Hauch. „Nun werde ich nicht mehr erleben, dass Athama zurückkehrt und alle wieder glücklich sind. Aber ich bin froh, so froh, dass ich helfen durfte, ihr die Rückkehr zu ermöglichen. Ich danke dir dafür, Leston, und auch für deine väterliche Liebe, die ich stets erwiderte. König Rowin, ich bitte Euch um eine letzte Gnade und dass Ihr mir meinen Wunsch nicht verübeln mögt: Sagt Athama, dass ich sie immer lieben werde!“
„Ich verspreche es Euch!“ Rowins Stimme war heiser. Narin ergriff seine Hand, um ihm zu danken, da seine Stimme bereits versagte. Dann wurden seine Finger schlaff und seine Augen brachen. Narin war tot.
***
Drei Tage trauerte der Hof offiziell um Narin, wie Rowin es angeordnet hatte. Doch die Niedergeschlagenheit der Leute war echt, denn der junge
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