Das Traumtor Band II (German Edition)
Ritter war sehr beliebt gewesen, und in die allgemeine Trauer mischte sich der Zorn auf die Königin. Überall wurden Stimmen laut, die verlangten, dass man sie dem Henker übergäbe. War doch diese Frau nur nach Valamin gekommen, um Unglück und Leid in seinen Frieden zu bringen. Als Narin dann in der Gruft beigesetzt war, in der nur die Edelsten des Re iches zur Ruhe gebettet wurden, rief Rowin den gesamten Hof in der großen Halle zusammen.
„Hört mich an, Edle von Valamin!“ sprach er. „Auch ich bin voll Zorn und Trauer über den grausamen Mord an diesem jungen Ritter, denn er stand meinem Herzen nah. Doch ich will nicht, dass das Blut dieser Frau die Erde unserer Heimat besudelt und sie im Tod noch Krieg und Not über uns bringt. Daher werde ich sie unter strenger Bedeckung nach Muran zurücksenden, und die beiden Fürsten Mirlon und Vesur werden Geran von den Freveltaten seiner Tochter berichten, die sie mit eigenen Augen angesehen haben. Mag der König selbst über die Frau richten, die die Ehre seines Hauses in den Schmutz zog. Ich kann und will nicht ihr Richter sein, denn durch meine Blindheit kam sie in unser Land. Nie werde ich mir das vergeben! Hiermit erkläre ich vor den Göttern und Menschen, dass Ilin von Muran nicht länger Königin von Valamin ist. Ich löste auch den Bund der Ehe, den ich mit ihr schloss, denn nicht länger soll sie das Weib Rowins von Valamin genannt werden. Dies soll niedergeschrieben werden auf dem Altar Horans, des Herrn der Götter, damit der Schwur getilgt wird, den ich ihr zur Ehe leistete und mit dem ich sie zur Königin erhob. Morgen wird sie fortgeschafft, und wagt sie es, Valamin noch einmal zu betreten, wartet der Henker doch auf sie!“
Rowin hatte gerade geendet, als an der Tür des Saales Unruhe entstand. Ein Bote in muranischem Gewand drängte sich durch die Menge, die ihm nur widerstrebend Platz machte. Als er Rowin gewahrte, rief er laut: „Ich bringe dringende Nachricht aus Muran! Wo ist Königin Ilin?“
„Sie ist nicht hier“, antwortete Rowin knapp. „Doch denke ich, dass deine Botschaft auch für mich bestimmt sein wird. Also rede!“
Der Bote sank auf Knie. „Herr, großes Unglück hat Muran getroffen und die Königin sollte es sofort erfahren. König Geran starb, kaum eine Stunde bevor ich aufbrach, Euch die Nachricht zu bringen. Fast vier Wochen sind seit jenem Tag vergangen, und nun wird bereits Mero, sein Sohn, zum neuen Herrscher gekrönt worden sein.“
Rowin war bei dieser Nachricht wie elektrisiert aufgesprungen. Im selben Augenblick war ihm klar, welche Konsequenzen diese Wendung der Situation mit sich brachte. Freudige Erleichterung durchzuckte ihn, die er kaum in seinem Gesichtsausdruck verbergen konnte. ,Welche Fügung des Schicksals!‘ jubelte es in ihm, doch er fasste sich rasch und es gelang ihm, ein ernstes Gesicht zu bewahren. Auch Targil, hatte nur mit Mühe einen Ausruf unterdrücken können, doch ein kurzer Blickwechsel zeigte Rowin, dass den Freund und Schwager dieselben Gedanken bewegten. Geran war tot und sein Sohn Nero König! Wenn bis jetzt noch Zweifel bestanden hatten, ob Ilin ihren Vater nicht doch noch gegen Valamin würde einnehmen können, so waren diese nun ausgeräumt. Mero liebte seine Schwester nicht – im Gegenteil, er hasste sie geradezu, da der Vater sie ihm immer vorgezogen hatte. Oft genug hatte der neue junge König von Muran unter den Launen der verwöhnten jüngeren Schwester leiden müssen. Wenn er sich über die Intrigen und Bösartigkeiten Ilins, die ihn oft ungerechtfertigt angeschwärzte, bei seinem Vater beschwerte, war er bei Geran stets auf taube Ohren gestoßen, der die von ihm vergötterte Tochter stets in Schutz nahm. Mero würde sich daher hüten, sich mit Rowin wegen seiner Schwester anzulegen, ja, er würde ihre Niederlage mit Genugtuung aufnehmen. Und er würde dafür sorgen, dass Ilin keine Gelegenheit fand, sich an Rowin zu rächen. Mero war nicht dumm, aber von seiner Wesensart her eher träge, und wenn eben möglich vermied er es, sich unnötige Probleme zu schaffen. Ein gutes Verhältnis zu Valamin konnte ihm daher nur gelegen sein, da es ihm und seinem Land Vorteile brachte. Erfuhr er von Ilins Untat und ihrem Verrat, würde er alles tun, um den mächtigen Nachbarn zu besänftigen. Anders als der durch seine Liebe zu Ilin verblendete Vater hatte Mero stets für Frieden mit Valamin plädiert, da ihm klar war, dass ein Krieg für beide Völker nur eine Niederlage bedeuten
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