Das Traumtor Band II (German Edition)
für diese Reise getroffen habe. Da wird wohl auch unser Haus- und Hofmedicus Leston seine Hände im Spiel haben. Wie sollte Deina wohl sonst an ein solches Mittel gelangt sein? Das ist ja wohl die Höhe! Das grenzt an Verrat!‘
Ihn ärgerten nicht so sehr die drei Tage unsinnigen Ritts als die Tatsache, dass man ihn wie einen Knaben übertölpelt hatte. Schon wollte er wutentbrannt seine Sachen packen, das Zelt abbrechen und so schnell es ging nach Varnhag zurückkehren. Er würde ein gehöriges Donnerwetter auf die drei Verschwörer herunter gehen lassen, denn dass Targil in den Plan eingeweiht gewesen war, stand für ihn fest. Deina wü rde so etwas nie tun, ohne Targil zurate zu ziehen. Na, die sollten etwas erleben! Im Grunde genommen amüsierte ihn jetzt schon der Anblick der betretenden Gesichter der drei, wenn er sie vor sich zitieren würde. Er würde sehr streng und ernst sein und sie gehörig vor Angst schwitzen lassen, besonders Leston, den alten Giftmischer! Aber dann musste er schmunzeln. Im Grunde genommen wusste er ja, dass sie ihm nicht hatten schaden wollen, sondern alle drei nur sein Wohlergehen im Sinne hatten. Was genau sie sich jedoch für ihn von dieser Reise erhofft hatten, blieb ihm ein Rätsel. Er sah ein, dass sein erster Impuls, sofort umzukehren, unsinnig war. Bei Nacht zu reiten war weder ungefährlich noch erforderlich. Nun konnte er auch bis zum Morgen warten. Je länger er außerdem fort blieb, desto sicherer würden die drei Übeltäter annehmen, ihr Plan sei geglückt, und desto überraschter wären sie, wenn er dann doch zurückkehrte. Außerdem hatte er seit dem Morgen nichts gegessen und mit leerem Magen war sowieso nicht gut reiten. Also bereitete er sich ein Mahl und kroch dann ins Zelt. Ermüdet durch den langen Tagesritt schlief er bald darauf fest ein. Auch in dieser Nacht träumte er wieder, doch diesmal war sein Traum keiner der üblichen: Athama saß neben seinem Lager und ihre weiche Hand lag auf seiner Stirn.
„Höre einmal nicht auf deinen Verstand, mein Liebling“, sagte sie, „sondern lass dich von deinem Herzen treiben und sieh, wo es dich hinführt. Kämpfe nicht mehr gegen deinen Schmerz, sondern gibt dich ihm hin. Du kannst den Kummer nicht aus deinem Herzen vertreiben, wenn du darum eine Mauer errichtest, aus der er nicht entwe ichen kann. Denk an das Meer! Mit Gewalt donnern die Wogen gegen die Klippen, die sich ihm entgegenstellen, doch sanft spülen sie über den glatten Strand und verlieren auf dem Weg ihre Kraft. Lass deinen Schmerz sanft über dein Herz gehen und er wird verebben wie die Wellen. Dann wird auch zu dir wieder der Friede kommen. Schlaf, Geliebter, und zürne deiner Schwester nicht mehr, denn sie hat genau das erkannt, was ich dir eben sagte. Sie brachte dich auf den Weg dahin. Schlaf! Wohin du auch gehst, ich werde immer um dich sein. Mein Körper kann nie mehr zu dir gelangen, aber für meine Seele steht das Traumtor offen.“ Dann war sie verschwunden.
Rowin fuhr aus dem Schlaf hoch. „Athama“, rief er, „wo bist du? Geh nicht fort!“
Doch rings um ihn war nur schweigende Dunkelheit. Da warf er sich wieder auf Lager, und nach langer Zeit löste sich der Knoten seines Schmerzes in heftigem Weinen. Noch während er wieder einschlief, rannen die lange gestauten Tränen aus seinen geschlossenen Augen. Doch den Rest der Nacht schlief er tief und traumlos.
Am nächsten Morgen war Rowins Zorn über das Komplott seiner Schwester ve rraucht. Zwar war er immer noch unschlüssig, ob er nicht doch zurückreiten sollte, da es ihm nicht recht erschien, seine Pflichten für so lange Zeit zu vernachlässigen, um seiner Erinnerung nachzujagen. Doch dann verwarf er seine Bedenken. Valamin befand sich mit allen seinen Nachbarn in Frieden und die Dinge im Reich würden ihren Gang gehen, behutsam geleitet von Targils Umsicht. Warum also sollte er sich nicht ein wenig Zerstreuung gönnen? Er spürte, dass das Reiten seinem Körper gut tat, denn seine schlechte seelische Verfassung hatte ihn auch seinen Körper vernachlässigen lassen. Seit Athamas Verschwinden hatte er keine Kampfübungen mehr gemacht und zu Pferd hatte er nur noch gesessen, wenn es die Notwendigkeit erforderte. Sonst hatte er einen Großteil seiner freien Zeit der Jagd und sportlichen Wettkämpfen gewidmet, doch für diese Vergnügungen hatte ihm seit jener Zeit jegliche Lust gefehlt. Er spürte genau, dass ihm die Kraft und Ausdauer fehlten, die er früher besessen hatte. War ihm
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