Das Traumtor Band II (German Edition)
seiner Schwester zu und ergriff ihre Hand.
„Ich weiß nicht, Deina, ob ich stark genug bin zu tragen, was Athama von mir verlangte. Du hast Recht, ich würde mich meinem Schmerz gern durch den Tod entziehen, doch ich weiß auch, dass es feige wäre und Athama das nicht gewollt hätte. Sie war viel mutiger als ich, denn sie tat freiwillig, wozu sie mich erst zwingen musste. Gut, Deina, ich will versuchen, Athamas Vertrauen in mich zu verdienen. Nein, Ilin soll nicht triumphieren! Sie konnte den König von Valamin zum Wohle seines Volkes erpressen, aber sie wird nie die Genugtuung erhalten, auch den Mann Rowin zu besiegen. Ich danke dir für dein offenes Wort, Schwester! Du hast meinen Blick für einige Dinge geklärt, die der Schmerz in mir verdunkelt hatte. Ilin will nicht nur Königin von Valamin werden, sie will auch Rowin, den Mann, der damals am Hof ihres Vaters der Schwarm aller ihrer Freundinen war. Sie hat damals alles getan, damit ich mich in sie verliebe, um alle anderen Frauen auszustechen. Sie ist sehr schön und gewohnt, alles zu bekommen, was sie haben will. Aber diesmal soll sie ihren Willen nicht haben! Sie wird Königin von Valamin, das kann ich nicht verhindern, aber mich bekommt sie nicht! Du hast Recht, Deina! Es wird sie nicht treffen, auf einen hilflosen Kranken als Ehemann zu verzichten, aber ein Mann voller Kraft und Gesundheit, der dennoch nicht ihrem Zauber erliegt, wird ein harter Bissen für sie sein. Schwester, ich verspreche dir, dass man mir am Tage der Hochzeit nicht mehr ansehen wird, wie sehr ich unter Athamas Verlust leide. Bist du nun zufrieden?“
„Ich wünschte, ich könnte deine Seele genauso heilen wie deinen Körper“, sagte Deina leise. „Wie gern würde ich dich wieder glücklich sehen, denn du weißt, wie sehr ich dir verbunden bin. Ich war so froh über deine Vereinigung mit Athama, ich sah ja, wie viel ihr einander bedeutetet. Die Götter haben mein Flehen nicht erhört, als ihr zu Tustron, dem Magier, reistet. Aber ich werde nicht aufhören, dafür zu bi tten, dass dir die Götter eines Tages wieder etwas Glück schenken mögen.“
„Das wird wohl nie geschehen“, sagte Rowin sanft und zog seine Schwester in die Arme. „Zu groß war das Glück, das mir die Götter mit Athama schenkten . Ich habe die mir von den Göttern für meine Lebenszeit zugestandene Menge in dieser kurzen Zeit aufgebraucht, der Brunnen meines Glücks ist bis auf den letzten Tropfen leer geschöpft. Trotzdem danke ich dir für deine Besorgnis. Deine Fürsorge tut mir wohl und ist Balsam für mein zerrissenes Herz.“
„Um eines noch wollte ich dich bitten, Rowin“, sagte Deina und ihre Stimme klang zaghaft und ängstlich. „Vergib Targil und lass nicht länger deinen Groll zwischen euch stehen! Er leidet so sehr darunter, dass er dir Schmerz zufügen musste, denn er liebt dich genau wie ich. Was er auch tat, Rowin, er ist dein Freund und tat es, weil er glaubte, dass es für dich und Valamin das Beste war. Er wollte verhindern, dass du deine Hände mit dem Blut deines Volkes befleckst, denn das hätte dich g enauso gequält wie der Verlust Athamas. Frage dich, ob du das Glück an ihrer Seite ungetrübt hättest genießen können, wenn die Geister der Erschlagenen zwischen euch gestanden hätten. Was wäre aus eurer Liebe geworden, wenn diese Schuld auf euch gelastet hätte? Vielleicht wäre sie erstickt, ertrunken im Blut der Unschuldigen, die für sie geopfert worden wären. Eure Liebe war so rein, und durch Athamas Opfer wurde sie noch verklärt. So wird sie nun auf ewig ihre Reinheit und Kraft behalten. Ist das nicht besser so?“
„Du würdest vielleicht Recht haben, Deina, wenn ich ein Gott wäre“, antwortete Rowin. „Aber ich bin nur ein Mensch, nur ein Mann, dem man das Liebste genommen hat, das er besaß. Und diesen Menschen bringt die Trauer fast um den Verstand. Ich weiß nichts von verklärter Liebe, von göttlicher Reinheit – ich weiß nur, dass ich Athama nie mehr wieder sehen werde. Und das ist mehr, als ich ertragen kann. Vielleicht kann ich eines Tages über meinen eigenen Schatten springen, vielleicht erwächst in mir eines Tages die menschliche Größe zu tun, was du von mir erbittest. Aber jetzt – Deina, alles in mir schreit vor unerträglicher Qual! Verlange nicht, dass ich Mitgefühl empfinde für die Leiden anderer!“ Er sprang auf, seine Hände ballten sich zu Fäusten und er schrie: „Oh, ihr Götter! Lasst mich einmal, einmal nur Rowin sein, nicht
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