Das Traumtor (German Edition)
Suppentopf auf einen Stein dicht am Feuer, damit die Suppe heiß blieb. Dann saß ich neben dem Feuer, die Arme um die Knie geschlungen, und sah zu, wie die Sonne immer höher über die östlichen Berggipfel stieg. In mir war völlige Leere. Es war, als habe diese Nacht mit ihren Schrecken jede Empfindung in mir getötet und mein Denken ausgelöscht. Heute weiß ich, daß damals nur die Sorge und die grenzenlose Angst um Rowin einen Zusammenbruch verhindert hatten.
Ich mußte wohl eingeschlafen sein, denn plötzlich fuhr ich hoch, als Rowins schwache Stimme an mein Ohr drang, die meinen Namen rief. Mit zwei Sprüngen war ich am Zelt und kroch hinein. Rowin war wach, und auf seinen bleichen Lippen lag ein erleichtertes Lächeln. Doch dieses Lächeln konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß sein eingefallenes Gesicht und die Linien des Schmerzes um seinen Mund seinen Zustand deutlich kundtaten.
„Athama, du bist da!“ Seine Stimme war kaum hörbar, aber sie hatte nichts von ihrem dunklen Timbre verloren. „Ich hatte Angst, du seist fort, als ich dich nicht neben mir sah.“
„Aber Rowin, wie könnte ich dich jetzt allein lassen?“ sagte ich, glücklich daß er dem Leben wiedergegeben schien. Ich kniete neben ihm nieder, und er zog mit schwacher Hand meinen Körper auf seine Brust. Sanft streichelte er mein Haar, und diese Bewegung so voller Zärtlichkeit ließ die Erstarrung meiner Seele aufbrechen. Heiße Tränen des Glücks stürzten aus meinen Augen und schwemmten die Anspannung dieser letzten Stunden fort.
„Athama! Athama, wein‘ doch nicht! Es ist doch alles gut“, tröstete Rowin mich. „Oder ist etwas mit dir? Was macht dein Kopf?“ Ich hörte den Unterton von Angst in seiner Stimme.
„Nein, nein, mein Liebling! Ich bin völlig ‘okeh‘ “, flüsterte ich unter Tränen. „Aber du warst dem Tod so nah, daß ich befürchtete, dein Leben zerrinne mir unter den Händen.“
„Ich werde nicht sterben, Athama“, sagte er, „denn ich habe den besten Arzt dieser Welt. Und wie könnte ich dich denn jetzt allein lassen?“
Ich hauchte einen Kuss auf seine Stirn und erhob mich dann. „Du mußt etwas essen, damit du zu Kräften kommst“, bestimmte ich. „Warte, ich werde dir sofort etwas bringen.“
Ich brachte ihm einen Napf Suppe und wollte sie ihm einflößen, aber da hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der König von Valamin ließ sich doch nicht füttern wie ein Kind! Obwohl ihm die gewaltige Anstrengung im Gesicht abzulesen war, richtete er sich auf und ergriff selbst dem Napf. Ich sah genau, daß ihm das Sitzen höllische Schmerzen bereiten musste, aber der stolze Dickkopf verbiss ihn und löffelte die Suppe. Zu meiner Freude aß er sie ganz auf. Dann sank erschöpft zurück auf sein Lager. Eine Weile hielt er die Augen geschlossen. Dann öffnete er sie wieder und schaute mich an. Über sein bleiches Gesicht flog ein kleines triumphierendes Lächeln.
„Hatte ich nicht wieder einmal recht, als ich dir befahl, den Umgang mit dem Schwert zu lernen?“ trumpfte er auf, und ich sah, welch diebisches Vergnügen es im machte, mir gegenüber Recht behalten zu haben. „Wenn du die beiden Strolche nicht erschlagen hättest, wäre es mir wohl übel ergangen. Du siehst ja, daß ich schon mit den restlichen dreien kommt fertig geworden bin. Gegen fünf aber hätte ich keine Chance gehabt. Nun, gibt es zu! Mein Befehl an dich hat mir das Leben gerettet.“
Ich mußte lachen. Er hatte immer noch ein schlechtes Gewissen, daß er mich damals dazu gezwungen hatte, weiterhin Unterricht im Schwertkampf zu nehmen. Und daß seine jetzt geschilderte Version des Kampfes erlogen war, erfuhr ich erst einige Tage später, weil er sich selbst verplapperte. Den Schwerthieb in die Seite hatte er nur erhalten, weil er sich ablenken ließ, als ich zu Boden geschlagen wurde. Seine Angst um mich hatte ihn unaufmerksam werden lassen, und einer seiner Gegner hatte die Gelegenheit genutzt.
„Ja, ja, ich gebe zu, daß du Recht hattest, du alter Tyrann!“ lachte ich. „Aber nun schlaf noch ein wenig, damit du bald wieder auf die Beine kommst.“
„Komm, leg dich ein wenig zu mir, Athama!“ murmelte er schläfrig. „Du mußt auch müde sein, und ich fühle mich ruhiger, wenn ich deine Nähe spüre.“
Ich schlüpfte zu ihm unter die Decke, und er zog mich dicht an sich. Müde und erleichtert schloß auch ich die Augen. Kurze Zeit später schlief ich fest.
Kapitel VII
Ich erwachte am späten
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