Das Traumtor (German Edition)
habe ich im Krieg an solchen Wunden sterben sehen.“
„Du wirst voraussichtlich keinen Brand bekommen“, sagte ich. „Das geschieht nur, wenn sich die Wunde entzündet. Ich habe sie so gesäubert, daß das wohl nicht eintreten wird.“
„Aber auch unsere Ärzte waschen die Wunden“, entgegnete Rowin. „Trotzdem werden sie oft brandig.“
„Nicht trotzdem, sondern vielleicht gerade deswegen!“ widersprach ich. „Eure Ärzte waschen die Wunden mit Wasser, das wohl nicht immer sehr sauber ist, ich dagegen habe Alkohol genommen.“
„Alkohol?“ Rowin war entsetzt. „Du meinst, du hast die Wunde mit der Rauschdroge behandelt, die manche Leute trinken und die den stärksten Mann lallen lässt wie ein hilfloses Kind?“
Oh, glückliche Welt! Hier gab es noch kein Alkoholproblem. Ich hütete mich jedoch, im etwas von Lestons Vorliebe zu sagen, denn wahrscheinlich verdankte Rowin der Trunksucht des Alchimisten sein Leben.
„Ja!“ sagte ich daher nur. „Denn diese Flüssigkeit vernichtet das Gift, das sonst die Wunde eitern lassen und den Brand hervorrufen würde.“
„Athama, du bist wirklich ein Geschenk der Götter!“ sagte Rowin langsam, und ich sah, daß ihm irgendetwas im Kopf herumging. „Du hast dich einmal bei mir beklagt, daß du an meinem Hof zu nutzlos seist. Sobald wir zurück sind, wird das nicht mehr der Fall sein, denn ich bitte dich, unsere Ärzte alles zu lehren, was du weißt. Dieses Wissen, daß du uns schenken kannst, wird nur zum Heil meines Volkes sein. Willst du das tun?“
‚Ach, Rowin!‘ dachte ich, und mit schmerzhafter Heftigkeit kam mir der Grund unserer Reise wieder ins Gedächtnis.‘ Es wird mir nicht viel Zeit dazu bleiben, so gern ich es auch täte.‘ So sagte ich nur: „Das will ich gern tun, obwohl es nicht viel ist, was ich euch lehren könnte. In mancher Hinsicht werden eure Ärzte wohl mehr wissen als ich. Aber ich würde gern meine geringen Kenntnisse an sie weitergeben.“
„Es kann nicht so wenig sein“, antwortete Rowin, „denn allein das Wissen um diese Behandlung von Wunden wird vielen Menschen das Leben retten. Athama, wie soll ich, wie sollen wir alle dir das jemals danken?“
Ich winkte ab, aber im Herzen empfand ich doch eine große Befriedigung. So hatte ich doch zumindest etwas für diese liebenswerten Menschen tun können.
Am folgenden Tag stand Rowin schon auf, obwohl mir das gar nicht recht war, da ich immer noch um die Wunde fürchtete. Zwar war er durch den Blutverlust noch geschwächt und mußte sich zumeist schnell wieder niedersetzen, aber er sah schon viel besser aus, und seine kräftige, robuste Gesundheit ließ ihn mit der Verletzung unglaublich schnell zurechtkommen. Aber ich begann mir langsam Sorgen zu machen, wie lange es wohl dauern würde, bis wir hier fort konnten. So rasch würde Rowin nicht wieder reiten können, wenn er das auch niemals zugeben würde. Unsere Vorräte wurden knapp, denn sie waren nicht auf einen solchen Aufenthalt zugeschnitten. Ich hatte zwar Kaninchen im Tal gesehen, aber mit Pfeil und Bogen mochte es doch ein schwieriges Unterfangen sein, sie zu jagen. Und Rowin war noch nicht wieder so bei Kräften, daß er den Bogen hätte stark genug spannen können. Diese zurzeit mangelnde Körperkraft hinderte ihn jedoch nicht daran, mir ständig eindeutige Avancen zu machen. Seit es ihm besser ging, sprühte er förmlich vor Lebensfreude, was mir das Herz nur noch schwerer machte, wenn ich daran dachte, daß ich ihm diese Freude nehmen mußte. Er schien überhaupt nicht mehr daran zu denken, was ihn in Varnhag erwartete, wenn er zurückkehrte. Andererseits freute ich mich aber über diese Heiterkeit, denn ich wollte, daß er glücklich war.
Der fünfte Tag nach unserem Kampf neigte sich seinem Ende entgegen als wir plötzlich den Hufschlag von Pferden hörten. In Nu hatte ich zum Schwert gegriffen, denn ich fürchtete, daß das der Rest der Räuberbande wäre, die ihre erschlagenen Kumpane auf dem Weg gefunden hatten. Auch Rowin stand sofort auf den Beinen, sein Schwert in der Hand, obwohl er bei einem Kampf wohl keine großen Aussichten gehabt hätte. Aber die drei Männer, die dort das Tal hinauf kamen, sahen nicht aus wie Wegelagerer. Ich vermutete an ihrer Kleidung, daß sie Händler seien. Aber man konnte ja nicht wissen, und wir waren auf alles gefaßt.
„Mögen die Götter Euch schützen!“ klang uns da auch schon die valaminische Grußformel entgegen. „Seid unbesorgt, wir sind friedliche
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