Das Traumtor (German Edition)
weckte ihn.
Als er die Augen aufschlug, fragte ich: „Glaubst du, daß du eine Strecke wirst laufen können? Ich habe unser Zelt nicht weit von hier in einem Tal aufgeschlagen. Hier kannst du nicht bleiben.“
Rowin richtet sich auch den Ellenbogen auf, wobei ein schmerzliches Zucken über sein Gesicht lief. „Laufen?“ fragte er. „Warum kann ich nicht dorthin reiten?“
„Weil die Naht aufreißen würde, wenn du versuchen solltest, aufs Pferd zu kommen“, sagte ich gedankenlos.
„Weil was aufreißen könnte?“ fragte er verständnislos.
„Ach, ich meine die Wunde!“ verbesserte ich mich schnell. Es war jetzt wirklich keine Zeit für große Erklärungen. Die Sonne ging gleich unter, und ich wollte Rowin noch vor Dunkelheit beim Zelt haben.
„Gut, mein Herz, wenn du es sagst, dann werde ich nicht reiten“, sagte er außergewöhnlich fügsam. Er schien wohl selbst zu merken, daß er nie in den Sattel gekommen wäre. Mit meiner Hilfe gelang es ihm aufzustehen. Ich hatte Sama wieder mitgebracht, da ich wollte, daß er sich an ihr beim Gehen festhielt. Entrüstet wies er das von sich.
„So ein Stückchen werde ich doch wohl noch laufen können!“ meinte er, gekränkt über meine Zumutung.
Ich ließ ihn los laufen, denn er würde bald merken, daß es nicht ging. Ihm zu widersprechen hatte wenig Sinn. Und siehe da, schon nach fünf Schritten tastete seine Hand nach dem Sattel. Ich kam zu ihm herum und legte wortlos seinen anderen Arm um meine Schultern. Er sagte nichts, aber ich merkte, wie schwer sein Gewicht auf mir ruhte, als er jetzt langsam weiterging. Seine Zähne waren zusammengebissenen und seine Lippen bildeten einen Strich. Große Schweißtropfen rannen an seinen Schläfen entlang. Aber er schaffte es! Doch er lag noch nicht ganz im Zelt, als er schon völlig erschöpft eingeschlafen war. Ich zog ihm die Stiefel aus und deckte ihn zu. Aber auch ich war mit meinen Kräften am Ende. Obwohl ich seit dem frühen Morgen nichts gegessen hatte, war ich nicht mehr in der Lage, mir etwas aus unseren Vorräten zu nehmen. Außerdem hatte ich rasende Kopfschmerzen und meinen Hinterkopf zierte eine mächtige Beule.
Rowin, ich danke der Vorsehung, daß sie dir im Traum diesen Kampf gezeigt hatte! Was wäre geschehen, hättest du mich nicht gelehrt, ein Schwert zu handhaben? Ich kroch ins Zelt und schmiegte mich an Rowins Seite. Seine Hand fest in der meinen haltend schlief ich Sekunden später ein.
Ich erwachte mitten in der Nacht, weil Rowins sich unruhig bewegte. Ich entzündete eine Kerze und beugte mich über ihn. Als ich sein schweißnasses Gesicht sah, erschrak ich furchtbar. Es war bleich, und die Augen lagen – von dunklen Rändern umgeben – tief in ihren Höhlen. Sein Mund war schmerzverzerrt und er stöhnte. Sein Körper glühte im Fieber, und Schüttelfrost ließ seine Zähne aufeinander schlagen. Oh, ihr Götter, hatte ich etwas falsch gemacht? Ich hatte alles getan, was mir aufgrund meiner geringen Kenntnisse und der mangelhaften Mittel zur Verfügung gestanden hatte. Warum, bei allen Dämonen, gab es hier keinen Krankenwagen, kein Hospital, in das ich ihn hätte schaffen lassen können?
Die ganze Nacht saß ich im Schein des winzigen Wachslichts an Rowins Lager. Hilflos und verzweifelt hielt ich seine fieberheiße Hand, deren Griff sich manchmal schmerzhaft verkrampfte, um dann wieder völlig kraftlos und schlaff zu werden.
Rowins Zustand änderte sich nicht. Manchmal lag er vollkommen bewegungslos, so daß ich angstvoll nach seinem Puls tastete, der schwach und kaum fühlbar gegen meine Fingerspitzen pochte. Manchmal jedoch fuhr Rowin stöhnend herum, sich in wilden Fieberphantasien aufbäumend. Als der Morgen grau durch die Zeltplanen zu schimmern begann, wurde er etwas ruhiger. Er schien eine Weile tief zu schlafen. Ich beobachtete ihn noch einige Zeit, aber da er ruhig liegen blieb, wagte ich es, meine Augen zu schließen, die ich nur noch mit größter Willensanstrengung offen gehalten hatte. Doch die tief in meinem Unterbewußtsein verankerte Angst um Rowin ließ mich bereits nach wenigen Stunden wieder hochfahren. Er schlief noch immer, doch sein Körper war glühend heiß und er stöhnte im Fieber. Ich erneuerte die feuchte Kompresse auf seiner Stirn und benetzte seine trockenen, aufgesprungen Lippen mit frischem Wasser, das ich von der kleinen Quelle holte, die nahe bei unserem Lager aus der Felswand sickerte. Schwankend wie eine Betrunkene vor Erschöpfung und Übermüdung
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