Das Traumtor (German Edition)
an der Wand eine Laterne und entzündete sie. Dann ging er hinaus. Nichts rührte sich auf dem Hof. Doch als er sich den Ställen näherte, hörte er Jarc und Sama unruhig stampfen und schnauben. Das Licht der Laterne fiel auf einen Gegenstand an der Stalltür, der Rowin einen Schrecken einjagte. In den Brettern der Tür steckte in Augenhöhe Athamas Dolch, der einen Fetzen Pergament aufspießte. Eine Nachricht von Athama? Wo war sie? Was hat das zu bedeuten? Hastig zog Rowin den Dolch aus dem Holz und streifte das Pergament herunter. Er hielt es ans Licht, und das erste, was er sah war, daß das nicht Athamas Schrift war. Schnell überflog er die Zeilen. Alles Blut wich aus seinen Wangen und seine Hände begannen zu zittern, während er las. Mit einem Fluch knüllte er das Papier zusammen und warf es wütend auf den Boden. Wie von Dämonen gehetzt rannte er zum Haus zurück. Ungestüm stieß er die Tür zur Gaststube auf und eilte wortlos an den verdutzten Bauern vorbei, die ihn entgeistert anstarrten. Doch niemand wagte, ihn anzusprechen, denn der Ausdruck seines Gesichts erschreckte die Leute. Minuten später stürmte er bereits wieder an den Männern vorbei und diesmal hing ein langes Schwert an seiner Seite. Ehe die Bauern sich fassen konnten, war er an ihnen vorbei zur Tür hinaus. Kurze Zeit später hörten sie den Hufschlag eines Pferdes, der sich rasch entfernte. Ratlos sahen sich die Leute an.
„Was mag nur geschehen sein?“ fragte der Wirt.
„Laß uns draußen nachsehen!“ meinte einer der Bauern. „Vielleicht finden wir etwas, was sein seltsames Verhalten erklärt.“
Die Leute ergriffen Lampen und Laternen und eilten dann auf den Hof hinaus. Der Hof lag völlig verlassen da. Nur die Stalltür stand weit offen.
„Wo ist die Frau?“ fragte einer der Männer. „Sie ging doch hinaus, um nach den Pferden zu sehen. Aber wir hörten nur einen Reiter, und ihre Stute steht noch hier im Stall. Wo kann sie hin sein?“
Die Bauern suchten alles ab, aber sie konnten niemanden finden.
„Hier liegt etwas!“ rief da auf einmal einer der Männer und bückte sich.
Er hatte das zusammengeknüllte Pergament gefunden, daß Rowin fortgeworfen hatte. Sorgsam faltete er es auseinander und glättete es. Dann streckte es verlegen den anderen entgegen, die ihn mittlerweile im Kreis umstanden. „Ich kann nicht lesen, was da steht!“ sagte er.
Auch die anderen zuckten die Achseln. Keiner der Bauern hatte lesen gelernt.
„Aber da steht bestimmt etwas wichtiges, “ sagte der Wirt. „Sarkon, lauf damit zum Schulzen. Er kann lesen und wird uns sagen können, was da steht.“ Er schob den Finder der Nachricht vor sich her zum Hofausgang.
„Der Schulze wird ungehalten sein, wenn ich ihn jetzt noch störe“, druckste Sarkon.
„Komm, ich gehe mit dir“, erbot sich einer der Bauern. „Dann teilen wir uns seinen Zorn. Aber ich glaube, daß es hier um Leben und Tod geht, denn das Gesicht dieses Candir verhieß nichts Gutes. Daher wird uns der Schulze wohl verzeihen.“
Während die anderen zurück in die Gaststube gingen, machen sich die beiden auf dem Weg zum Dorfschulzen. Dieser war tatsächlich verärgert über die Störung, denn er hatte sich gerade zu Bett begeben wollen. Als er aber die Geschichte hörte und dann mühsam das Pergament entzifferte, wurde er plötzlich aufgeregt.
„Die beiden Fremden sind in höchster Gefahr!“ rief er. „Die Bande des Schecken hat die Frau entführt. Sie wollen sie nur wieder freilassen, wenn er sich in ihre Hände liefert. Doch ich glaube nicht, daß man die Frau dann gehen lassen wird, denn schließlich hat sie ja auch zwei der Männer getötet. Die Bande wird beide umbringen, wenn nicht schnell Hilfe kommt.“
„Aber was sollen wir denn tun?“ fragte Sarkon ratlos. „Wir können es mit diesen Schurken nicht aufnehmen. Sie würden uns nur alle mit erschlagen. Und wie sollten wir sie überhaupt finden?“
„Das wäre kein Problem“, antwortete der Schulze, „denn die Nachricht besagt, daß man Candir den Weg kennzeichnen wird. Er soll nach Nordwesten reiten. Am Morgen werde er dann am Fuß der Berge Zeichen finden, die ihm den weiteren Weg weisen. Diesen Zeichen bräuchten auch wir nur zu folgen.“
„Aber wir wären keine Hilfe“, meinte der andere Bauer resignierend. „Keiner von uns versteht es, ein Schwert zu handhaben. Sarkon hatte Recht! Wir wären alle des Todes.“
„Aber wir können die beiden doch nicht ihrem Schicksal überlassen!“ entgegnete
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